Das googlesche Geheimnis

Warum ich blogge, fragte die Teilnehmerin bei dem Seminar, das ich neulich in Berlin mitgestaltet habe. Ich hatte keine wirkliche Antwort.

Es bringt mir im Grunde ja nichts – es kostet im Gegenteil. Umso schwerer ist zu sagen, wieso diese Veranstaltung hier über Jahre von einem kleinen Privatspaß zu einem großen Privatspaß mit angeschlossenem Schweden-Auswanderer-Informationsservice geworden ist.

Die Quintessenz ist dabei schlicht, dass es keine Einwegkommunikation ist. Manchmal schreibt man etwas, das wirklich jemand lesen möchte – und derjenige tut es dann oft sogar auch.

Und selten, ziemlich selten trifft man den Zeitgeist. Man trifft ein Thema, das auf ungewöhnlich viel Resonanz stößt. Das Mysterium ist und bleibt aber, was diese Themen ausmacht.

Denn es sind nicht immer die elaborierten Artikel, die Gefallen finden. So war es in der Vergangenheit einmal dieser Artikel, der Google-Sucher bei der Eingabe von „Tiersex“ offenkundig magisch anzog.

Das ist aber kein Vergleich dazu, was im Moment abläuft. Der Besucherrekord vom August 2008, der beim Erscheinen der zweiten Runde des Auswandererguides erreicht wurde, fiel gestern. Fast 3000 Menschen haben die Suche „Victoria von Schweden“ eingegeben, und sie landeten nicht etwa bei meinen Berichten zur Hochzeit, sondern ausgerechnet bei einem Artikel, der eher ein längst vergessenes Ärgernis war als irgendetwas, auf das man stolz sein könnte. So wurde ein absurdes Fundstück in einem Satireblog, dessen Macher ein etwas merkwürdiges Verhältnis zur Satire haben, zum größten Hit dieser Seite bisher. Der Juni 2010 wird so wohl der erfolgreichste Monat dieses Blogs werden, wenn man es rein nach den Besucherzahlen betrachtet.

Langfristig betrachtet wird aber kaum etwas bleiben. Die allermeisten Besucher gingen nämlich sofort wieder, und zwar nicht zu dem Satireblog, sondern ganz.

Dieser Google-Effekt wird mir dennoch unerklärlich bleiben, denn dass ich bei irgendeinem der genannten Suchbegriffe ganz oben in der Trefferliste stehe, scheint mir doch recht unwahrscheinlich.

Fotos

Nachdem ich mich gestern über Fotos aufgeregt habe und Thomas heute berechtigte Kritik an Fotowettbewerben übt, kommt mir mein Lieblingsfoto aus dem bisherigen amerikanischen Wahlkampf ein, nämlich dieses. Es zeigt Alan Keyes – und wie es um dessen Wahlkampf steht, sieht man von selbst. Keyes könnte auf alle Fälle neue PR-Leute gebrauchen, denn wie die Satireseite Indecision 2008 bemerkt:

Wussten Sie, dass Alan Keyes ein sehr großzügiger Arbeitgeber und bereit ist, unausgebildete, unerfahrene Internetredakteure in seine PR-Mannschaft aufzunehmen?

Das ist sehr treffend – anders ist es kaum zu erklären, dass das Foto lange Zeit auf der Startseite war.

Ich for President

Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Genossinen und Genossen

es scheint mir der Zeitpunkt gekommen, Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen.

Hiermit gebe ich bekannt, dass ich zur Spitzenkandidatur der Hamburger SPD bei den kommenden Bürgerschaftswahlen im Jahr 2008 bereit bin. Meine zahlreichen Unterstützer haben mir in den letzten 48 Stunden zu verstehen gegeben, dass es gerade in diesen Zeiten der Krise eines glaubwürdigen Kandidaten bedarf. Die Hamburger brauchen einen Mann, der zu seinem Wort steht, Ehrlichkeit und Integrität ausstrahlt. Dieser Mann bin ohne Zweifel ich.

Niemand kann mir Verwicklungen in dunkle Machenschaften nachsagen oder zumindest nachweisen. In Wahlskandale war ich nie verwickelt, zumindest in keine grossen. Meine Weste ist blütenweiss, wenn man von zwei Strafzetteln für Falschparken und abgelaufenen TÜV absieht.

Der Unterstützung aus meiner Partei bin ich mir gewiss. Schon in der Vergangenheit konnte ich auf überragendes Vertrauen zählen – meine letzte Spitzenkandidatur zum Vorsitzenden der Jusos Rastatt 2001 gewann ich klar mit 7:6 Stimmen. Auch meine Wahl die Auslosung zum 2. Ersatzdelegierten beim letztjährigen sozialdemokratischen Studentenkongress in Schweden konnte ich deutlich für mich entscheiden. In Kürze werde ich als Vertreter meines Klubs an höchster Stelle die Jugend Stockholms vertreten – und das nicht nur, weil es mehr Plätze als Kandidaten gibt – nein, das Vertrauen meiner Partei ist mir auch in solch widrigen Bedingungen sicher.

In aller Bescheidenheit möchte ich auch anmerken, dass ich über vielfältige Auslandserfahrung verfüge und deswegen das internationale Parkett nicht fürchte.

Es gilt aber, das Herz der Hamburger zu gewinnen. Zwar wohne ich weder in Hamburg noch in Deutschland und bin daher für rund 98,5 % der Bevölkerung derzeit noch nicht vermittelbar. Dass dies kein Grund für einen Rückzug sein muss, zeigt Kurt Beck jeden Tag eindrucksvoll. Zudem kann mir keiner nachsagen, dass mir die Stadt nicht wichtig ist: ich war schon in Hamburg, sogar mehrmals.

Wichtig wird sein, den Bürgern zu vermitteln, dass hier eine SPD steht, die es mit der CDU und Ole von Beust aufnehmen können wird – wahrscheinlich. Mit unserem Slogan „Gut für Hamburg“ stehen wir für klare Ziele. Welche dies sind, wird sich sicher noch klären lassen.

Eines steht aber jetzt schon fest – mein Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, dem Rechtsfahrgebot auf deutschen Strassen und Biozucker von glücklichen Zuckerrüben ist nicht verhandelbar.

In diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen, bin ich bereit, in die Bresche zu springen und den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Ich bin zu grössten Opfern bereit und würde meine Karriere für einen Platz im Hamburger Rathaus auch für einige Zeit ruhen lassen. Meine Parole ist: „Mit Anstand verlieren“

Vielen Dank!

Satire online

Als ehemaliger TITANIC-Abonnent versorge ich mich heute über das Netz mit Satire. Dazu dient mir natürlich nicht zuletzt die Homepage des Magazins.

Neuerdings hat die Seite auch gewissermassen noch einen Ableger, nämlich die SPAM-Seite von SPIEGEL Online, wofür sich der ehemalige TITANIC-Chefredakteur Martin Sonneborn verantwortlich zeigt.

In letzter Zeit beobachte ich bei mir aber eine gewisse Müdigkeit gegenüber des Humors dort. Es scheint mir, dass die Redakteure die immer gleichen und mittlerweile recht ausgelutschten Stilmittel anwenden. Besonders fällt mir auf:

  • Man versucht eine Pointe einzubauen, indem man in einer Klammer einen vorher nicht dagewesenen Bezug herzustellen versucht. Aktuelles Beispiel: in SPAM wird eine Online-Umfrage mit der Frage

    Welche Länder sollen Ihrer Meinung nach noch mehr Truppen nach Afghanistan schicken?

    gemacht. Unter den Antworten befindet sich

    Deutschland jedenfalls nicht, wir haben schon genug geleistet (20. Jahrhundert)!

    Ist das komisch? Beim ersten Mal vielleicht ja, aber nach dem 30. Mal wirkt es doch sehr bemüht. Ähnliches Beispiel vom 13.11.2006 aus der TITANIC

    Daum: Absage an Telekom

    (…) Daum betonte aber auch, daß die Telekom ihm eine Herzensangelegenheit sei. Schließlich sei er mit einem Telefon großgeworden und habe mit dem Internetanschluß der Telekom unvergeßliche Erfolge gefeiert (Kokain-Großbestellung 1999). (…)

  • In diesem Zusammenhang werden gerne ungebräuchliche Abkürzungen verwendet. Beispielsweise „i.e.“, das der Anglophile als Entsprechung zu „d.h.“ kennen dürfte. Mit derlei Kunstgriffen mag zwar eine gewisse Intellektualität entstehen, die die Macher sicherlich haben – aber für mich ist da eher die Frage, ob man sich dabei nicht zuweit von den zu parodierenden Medien entfernt, denn sowas dürfte auch in DIE ZEIT oder der FAZ selten anzutreffen sein.
  • Die immer wieder angebrachten Anspielung auf den Zigaretten- und Alkoholkonsum der Redaktion sind auch nicht gerade neu.
  • Der SPAM-Rubrik sieht man leider viel zu sehr an, von wem sie gemacht ist. Dass man die entrüstete Kritik einiger Leser an den Beiträgen in voller Länge einbringt, steht zwar in der guten Tradition „TITANIC-Leser stellen sich vor“, ist aber nicht einmal halb so amüsant, und die Kritik leider auch ziemlich berechtigt. Richtig gute Lacher waren bisher jedenfalls die Ausnahme. Kurze Stücke mit häufig mässigen Pointen dominieren das Bild. Sich über Hinterbänkler im Bundestag lustig zu machen oder vermeintliche Heimatkunde zu betreiben geht leider auch am Ziel vorbei, wenn man es mit brillianten Aktionen wie den Einsätzen als falsches Wahlkampfteam für die SPD oder die FDP vergleicht. Dass derartige Perlen der TITANIC-Vergangenheit nun recycelt werden, ist zwar gut gemeint, aber dass man einen schon ziemlich angestaubten Anti-Nazi-Werbespot wieder bringt oder ohne jeglichen aktuellen Bezug darüber berichtet, wie man einmal Eckart von Klaeden auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre vor 7 Jahren hereinlegte, zeugt vielmehr von der Misere des ganzen Angebots.

So brilliant das TITANIC-Magazin oft ist – SPAM sollte ein getrenntes Angebot sein und statt drei mässigen Beiträgen lieber zwei gute veröffentlichen. Die tagesaktuellen Comics sind auf alle Fälle mal ein Ansatz.
Die neue Seite des TITANIC-Magazins ist in vieler Hinsicht auch besser als die alte. Aber auch könnte man Qualität durch Quantität ersetzen. Die exzellente Rubrik „Vom Fachmann für Kenner“ ist etwas, was ich mir täglich wünschen würde.

Es lohnt sich in dem Fall auch mal ein Blick über den Teich. Dort produziert The Onion eine tagesaktuelle Satire-Zeitung mit garantiert erfundenen Meldungen. Das ist in vieler Hinsicht besser als Satire auf die Internet-Nachrichtenseiten als SPAM.

Kansas Outlaws Practice Of Evolution

The Onion

Kansas Outlaws Practice Of Evolution

TOPEKA, KS—Any living being that undergoes genetic modification favoring survival could face jail time under the new law.

Da lache ich mich zwar nicht tot, aber die Nachrichtensatire ist treffend und erweckt auf den ersten Blick den Anschein richtiger Nachrichten. The Onion bezeichnet sich ja auch als „America’s finest news source“. Dorthin muss SPAM mit seinem erfundenen Bundespräsident Bob Schneider erst noch kommen.