In dicken Lettern prangte es heute morgen auf der Zeitung:
Mer i plånboken om inte räntan stiger
Zu deutsch:
Mehr im Geldbeutel wenn die Zinsen nicht steigen
Es ist nicht die erste derartige Schlagzeile, die ich lesen darf. Jedes Mal, wenn sich an den Steuern, den Löhnen und vor allem an den Kreditzinsen etwas ändert, wird davon geschrieben, dass man nun mehr oder weniger im Geldbeutel. Dieses Mal geht es um Steuern, die leicht gesenkt werden sollen.
Das Paar, das heute porträtiert wird, kommt zwar aus Indien, ist aber in dieser Hinsicht voll schwedisiert, denn es verkündet erfreut:
”Vi kan spendera mera nu”
also:
”Wir können jetzt mehr ausgeben”
Vielleicht bin nur ich es, aber mir scheint, dass es in diesem Punkt einen grundlegenden Unterschied zwischen schwedischer und deutscher Sichtweise gibt. Während ein Deutscher (nach meinem Empfinden) nur einen Kredit aufnimmt, wenn er gar nicht anders kann, und ihn dann straff organisiert innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes zurückbezahlt, empfindet ein Schwede die Schuldenlast offenbar nicht als solche. Er hat anscheinend keine sonderliche Ambitionen, sie schnell wieder loszuwerden, und nichtmal ein Problem damit, nur die Zinsen zu bedienen.
Anders kann ich mir diese Form der Selbsttäuschung kaum erklären. Es ist eigentlich unnötig zu erklären, dass man nicht mehr im Geldbeutel hat, wenn man Schulden in (Kronen-)Millionenhöhe vor sich herschiebt, sondern allenfalls mehr Luft hat, die Schulden zurückzubezahlen. Aber lieber lässt man das Damoklesschwert von beweglichen Zinsen über sich hängen als dass man aktiv Vorsorge trifft. Kein Wunder, dass jede Leitzinsänderug, die Reichsbankschef Stefan Ingves verkündet, mit Argusaugen beobachtet wird.
So laufen hunderttausende hochverschuldete Schweden durch die Welt und glauben tatsächlich, sie hätten bald mehr Geld im Geldbeutel – und realisieren nicht, dass die Zinsen derzeit immer noch ziemlich niedrig sind.
Als ich letzten September das Ende der Öre als Münze würdigte, hatte ich nicht viel Anschauungsmaterial zu bieten. Die älteren silberfarbenen Versionen des 50-Öre-Stücks waren nämlich schon länger aus dem Verkehr verschwunden, und die verbliebenen kupferfarbenen waren eher Brieftaschenbeschwerer als echtes Zahlungsmittel.
Diese Woche war ich aber bei der Bank mit einem Münzeinzahlungsautomat. Offenkundig ist die Reaktion der meisten Leute, nicht verwertbare Münzen einfach am Automat liegen zu lassen, weswegen dieser so aussah:
Es gibt im Land sicherlich noch einen Berg dieser Münzen – und seit 31. März 2011 sind sie auch definitiv wertlos, denn da endete die Frist, sie noch bei Banken einzulösen.
Der Automat hatte aber noch mehr zu bieten. Neben einem Spielchip (im obigen Bild auch zu sehen) und einem 25-Cent-Stück aus Kanada verbargen sich dort die folgenden beiden Münzen.
Die linke Münze wurde noch zu Zeiten von Gustav VI. Adolf geprägt, was man an dessen Wappen erkennen kann.
Nun, dies ist alles Geschichte. Alle diese Münzen sind obsolet. Aber nicht nur mein Bankbesuch ist ein Anlass, hier noch einmal das Thema Geld aufzugreifen. Die schwedische Reichsbank ist nämlich in ihrem Erneuerungsdrang fortgeschritten und will praktisch alles Geld austauschen:
Die Münzen zu 1 Krone, 2 Kronen und 5 Kronen werden kleiner und leichter als heute. Im Fall des 2-Kronen-Stücks bedeutet das im Wesentlichen eine Neueinführung, weil diese Münze zuletzt vor 40 Jahren geprägt wurde und schon lange aus dem normalen Kreislauf verschwunden ist. Das 10-Kronen-Stück wird unverändert im Umlauf bleiben. Die 1-Kronen- und 2-Kronen-Stücke werden aus kupferummanteltem Stahl hergestellt werden. Ich wage zu vermuten, dass diese eine gewollte Parallele zu den 1-,2- und 5-Cent-Münzen ist. Schweden wird langfristig den Euro einführen, und da ist man gut beraten, Material, Gewicht und Größen so zu wählen, dass die Umstellung leichter fällt. 5-Kronen-Stücke werden wie die 10-Kronen-Stücke aus der Legierung „Nordisches Gold“, die auch bei den 10-,20- und 50-Cent-Münzen zum Einsatz kommt. Ich bin gespannt auf die genauen Designs, die aber wohl erst in knapp einem Jahr fertig sein werden. Sinnvoll finde ich die Umstrukturierung nur teilweise. Die 10-Kronen-Münze ist unhandlich dick, und bislang war bei den schwedischen Münzen kein nachvollziehbares System wie beim Euro zu erkennen. Dass die größte Münze unverändert bleibt, ist wohl ein Zeichen dafür, dass es auch künftig kein solches System geben wird.
Die Scheine werden um einen 200-Kronen-Schein erweitert. Konsequenterweise hat man sich für eine komplett neue Banknotenserie entschieden. Das finde ich sinnvoll, denn der 200-Kronen-Schein würde sonst wie ein Fremdkörper wirken. Im Hinblick auf den Euro ist es in diesem Fall nicht so wichtig, wie die Scheine aussehen, denn entsprechende Automaten werden sowieso umzustellen sein. Die Meldung in der Woche war aber natürlich trotzdem, wer oder was künftig die Scheine zieren wird. Man hat sich dafür entschieden, die Vorderseite mit bekannten Persönlichkeiten zu bedrucken und die Rückseite mit Natur- und Umweltmotiven einer der schwedischen Landschaften, die einen Bezug zur abgebildeten Person hat:
Es sind also recht zeitgemäße Motive, wenn man so will – keiner der Abgebildeten ist mehr als 50 Jahre tot. Die Auswahl kann man freilich kritisieren. Mir fällt vor allem auf, dass bis auf Dag Hammarskjöld alle Künstler sind, was natürlich die Frage aufwirft, wieso man nicht konsequenterweise auch noch den größten Schein mit einer kulturellen Persönlichkeit verziert hat. Für die meisten Schweden dürfte vor allem der Abschied von Selma Lagerlöf schmerzen, denn ihr Motiv hat dem 20er den Spitznamen „Selma“ eingebracht. Mit Astrid Lindgren hat man aber mehr als adäquaten Ersatz.
Die Farben der Scheine werden sich teilweise ändern: der bislang eher grünliche 100-Kronen-Schein wird blau, der 200-Kronen-Schein dafür grün. Die anderen Farben bleiben gleich, was den Umgang erleichtern dürfte. Seltsam ist hingegen die Entscheidung in Sachen Größe: alle Scheine werden 66 Millimeter hoch sein und damit fast genauso hoch wie der aktuelle 20er und der 10-Euro-Schein. Lediglich die Breite wird variieren zwischen 120 mm (aktuelle Breite des 20er) und 154 mm (zwischen 500 Kronen und 1000 Kronen, ungefähr so breit wie ein 200-Euro-Schein).
Es wird sich also einiges ändern bis ca. 2014/15, wenn diese ganzen Neuerungen im Umlauf sein werden.
Ich frage mich allerdings, ob der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen steht. Die Münzumstellung wird volkswirtschaftlich einiges kosten, ohne dass dadurch irgendein Vorteil entstehen wird. Die Scheinumstellung wird vielleicht eine bessere Sicherheit bringen – ich gehe einmal davon aus, dass die Euroscheine hier voraus sind – aber auch hier stellt sich die Frage, ob die Umrüstung unzähliger Automaten Sinn macht. Es kann gut sein, dass die Scheine den Bürger erreichen, wenn die Euroeinführung schon beschlossene Sache ist. Im Extremfall wird dieser ganze Aufwand also betrieben, um ohne Not einige wenige Jahre andere Scheine zu haben.
Gestern war einer der windigsten Tage, seit ich in Schweden lebe. Zwar kann man noch nicht direkt von einem Sturm sprechen, aber zumindest von Sturmböen. Es wurde vor Windgeschwindigkeiten von bis zu 30 m/s gewarnt, was 108 km/h entspricht und somit Orkangeschwindigkeiten (117 km/h und mehr) nicht weit verfehlt. Das Gehen wurde jedenfalls erheblich erschwert.
Als junger Feuerwehrmann durfte ich einst den Orkan Lothar mit den zahlreichen Zerstörungen allerorten miterleben. An diese Dimensionen reichte das gestern freilich nicht heran, aber es fielen Kleinigkeiten auf. So flog bei McDonald’s in Nacka die rechte Hälfte des McDrive-Schildes weg. Auf der Straße lag ein Stück Dachrinne, das sich gelöst hatte. Als wir nach hause kamen, ging das Internet nicht.
Wenn etwas Schlimmes passiert, dann sind nachher alle schnell damit, zu belehren, dass man doch Warnungen hätte hören müssen. Hatten wir gestern aber nicht, und so fiel uns nur auf, dass es windig war, mehr nicht.
Denn ausgerechnet gestern stand ein Ausflug zum Globen Skyview an, und wir dachten uns nichts weiter. Dort hatte man den Betrieb zwar kurzzeitig unterbrochen, aber fuhr dann doch. Wir waren vermutlich die letzte Tour des Tages. Sobald wir die Spitze erreichten, wurde es sehr laut und die Kabine wackelte. Nach Rückkehr fragte der Mann am Ausgang, wie es denn so war, und die zwei hinter uns antworteten, dass es sich unbehaglich anfühlte.
So weit würde ich nicht unbedingt gehen – ich stand während der ganzen Fahrt – aber es klingt nach einer guten Idee, einen Lift, der eine Glaskugel an die Spitze eines 85 Meter hohen Gebäudes transportiert, bei solchen Bedingungen außer Betrieb zu nehmen.
Daher noch einige Hinweise auf weitere interessante Fundstücke, die mir untergekommen sind:
Der Deutschlandfunk berichtet in seinem Hintergrund gewohnt fundiert und unaufgeregt über das Thema. Besonders erfreulich finde ich, dass sie sich nicht auf eine These stürzen, sondern verschiedene Aspekte streifen.
Genau letzteres kann man über zwei weitere Beiträge nicht sagen. Einer wurde mir dankenswerterweise über die Kommentare zugetragen: der Artikel „Mordsmäßiges Schweigen“ von Henrik Andersson, der im Tagesspiegel veröffentlicht wurde. Nachdem der Autor konstatiert, dass immer wieder dubiose Theorien zum Mord auftauchen, präsentiert er direkt seine eigene, die selbstverständlich nicht dubios ist. Andere Kandidaten werden mit schnellen Bemerkungen zur Seite gewischt, und stellenweise grenzt das Ganze an Verschwörungstheorie.
Ähnlich gingen vor 10 Jahren die Macher des Films „Mord in Stockholm“ vor. Da läuft es auch so heraus, dass es doch glasklar sei, wer Palme ermordet habe. Die Sendung lief auf BR Alpha am 27. Februar, aber ist online anscheinend nicht verfügbar.
Bayern 2 hingegen weist darauf hin, dass Palme doch tatsächlich vor seiner Ermordung ein Leben geführt hat, über das es auch etwas zu erzählen gibt. Es ist ein schönes Palme-Porträt geworden mit einigen schönen Abschnitten, in denen er sein mit großem Wortschatz ausgestattetes, fast fehlerfreies, aber stark schwedisch eingefärbtes Deutsch spricht.
Die E10 ist eine Fernstraße von Luleå in Nordschweden nach Å in Nordnorwegen.
Die Abkürzung dürfte in diesen Tagen mit etwas ganz anderem assoziiert werden: dem neuen Sprit an Deutschlands Tankstellen, bestehend aus 90% herkömmlichen Super-Kraftstoffs und 10% Ethanol.
Der Ansatz in Sachen Biosprit könnte aber anders nicht sein. Ich gehe davon aus, dass das nicht so chaotisch verlaufen wird wie derzeit in Deutschland.
Das E an der Tankstelle ist kein Unbekannter in Schweden. Schon seit einigen Jahren wird fast flächendeckend E85 verkauft – man kann es sich denken: das sind 85% Ethanol und 15% Super. Schadstoffarme Autos, die auch mit diesem Sprit fahren können, sind erheblich steuerlich begünstigt und von der Maut in Stockholm ausgenommen. Auch der Verbraucher hat etwas davon, denn ein Auto, das von 0% bis 85% Ethanol alles schluckt, ist nicht auf ein dichtes Ethanoltankstellennetz angewiesen, was ja bei anderen Kraftstoffen wie Biogas immer ein Problem darstellt. Das alles zeigt Wirkung: die Autos verkaufen sich gut und haben auch als Gebrauchtwagen kaum Wertverlust.
Außerdem ist das für die Hersteller eine elegante Lösung, weswegen sie sich nicht sonderlich anstrengen brauchten. Da nur sich nur wenige Werkstoffe mit Ethanol nicht vertragen, mussten in erster Linie die Zündmechanismen angepasst werden. So leicht konnte man noch nie auf Bio machen.
Dabei ist der Umweltnutzen umstritten. Dass zur Herstellung Lebensmittel verwendet werden, was ethisch fragwürdig ist, und dass fast mehr zur Energie zur Herstellung gebraucht wird als nachher herauskommt, sind nur zwei Aspekte. Aber selbst wenn das nicht so wäre: das Umweltbewusstsein der Leute endet im Geldbeutel. Der Verbrauch mit E85 ist nämlich rund 30% höher, was soviel bedeutet, dass sich das nur lohnt, wenn die Ersparnis das ausgleicht. Solange der Ölpreis moderat ist, wird man der Bequemlichkeit halber beim Benzin bleiben, denn dann hält der Tank länger. Nur wenn die Preise in den Himmel schießen, rennen alle zu E85, was dann schonmal zu Knappheit führt.
Insgesamt kann man wohl trotzdem von einem Beispiel einer gelungenen Einführung sprechen, denn die neuen Autos sind in jedem Falle umweltfreundlicher als die alten.
Dem steht das deutsche Modell diametral entgegen, wie mir scheint. Es tut so gut wie nichts, um die Anschaffung schadstoffarmer und/oder biospritbetriebener Autos zu fördern. Das beginnt schon damit, dass man auch nach der letzten Reform daran festhielt, die Kfz-Steuer immer noch zu erheblichen Teilen nach dem Hubraum zu bemessen. Ein Sinn dahinter ist nicht zu erkennen, aber man kann wohl davon ausgehen, dass man in typisch deutscher Manier keinem auf die Füße treten wollte. Also führte man einen schadstoffbezogenen Teil in das System ein, aber sorgte dafür, dass Luftverpester nicht allzu schlecht wegkommen. Von dem Irrwitz der Abwrackprämie will ich erst gar nicht anfangen.
Nun also das Debakel mit der Einführung von E10. Natürlich war nicht Umweltfreundlichkeit die treibende Kraft hinter dem Entschluss der Einführung, sondern die Unabhängigkeit von Mineralöl. Eigentlich sollte es kein Problem darstellen, denn E5 hatte man ja schon seit längerem, und fast alle Autos vertragen den Sprit.
Dennoch war das Debakel absehbar. Der deutsche Verbraucher ist preisbewusst, und die Aussichten auf steigenden Verbrauch behagen ihm nicht. Die Preise sind derzeit allgemein sehr hoch, und als Schnäppchen kann man so den neuen Treibstoff kaum empfinden. Zudem sind Autos heilig, und die Unsicherheit über die Verträglichkeit des Stoffes kommt hier negativ hinzu. Kein Wunder also, dass alle lieber Super Plus tanken.
In Schweden hingegen sind beträchtliche Teile des Fuhrparks schon ethanoltauglisch und somit erst gar nicht betroffen. Ethanol ist nicht die große Unbekannte, die vielleicht die Autos zerstört. Es ist Normalität, und so wird das hierzulande wohl alles sehr unaufgeregt ablaufen.
Vielleicht sollte sich die deutsche Politik auch einmal überlegen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen.
Denn skandinavischer (Männer-)Fußball ist weder erfolgreich noch glänzen die Akteure mit Eleganz oder anderen attraktiven Attributen (die Damen werden mir vielleicht widersprechen). Aber fair spielen sie, wie Trainer Baade zurecht feststellt: seit der Einführung der UEFA-Fair-Play-Wertung im Jahr 1995 machte 6mal Schweden den ersten Platz und 5mal Norwegen. Gewertet werden hierbei von der UEFA veranstaltete Spiele.
Von denen gibt es für Schweden naturgemäß nicht so viele, weil die Vereinsteams alle ziemlich schnell ausscheiden. Aber fair scheiden sie aus, und so profitiert Schweden häufig doppelt, denn die bestplatzierten Verbände in der Fair-Play-Wertung erhalten einen Startplatz in der UEFA Europa League extra.
Wer die Ehre hat, für Schweden schnell (und fair) aus dem Wettbewerb zu fliegen, ist Sache des Verbandes. Anscheinend war Gefle IF letztes Jahr würdig und durfte mitspielen. Die Mannschaft konnte den knüppelharten Gegner NSÍ Runavík von den Färöer-Inseln mit einem 2:1 besiegen. Leider ging es danach nicht weiter, denn der georgischen Fußballgroßmacht Dinamo Tiflis mussten sie sich mit 1:2 geschlagen geben. Trotzdem hat die Mannschaft die Erwartungen erfüllt: während die beiden Gegner insgesamt 6 gelbe Karten kassierten, blieb Gefle unbekartet.
Wer meine süffisante Beschreibung des ganzen für ketzerisch hält, hat vermutlich recht. Es fällt mir schwer, das ernstzunehmen, denn meine Erwartungen an den schwedischen Fußball sind nicht sonderlich hoch.
Aber auch prinzipiell finde ich die Sache ein wenig albern. Die Absichten dahinter, fair spielende Verbände mit zusätzlichen Startplätzen zu belohnen, mögen ja nobel sein. Das ändert aber nichts an dem Faktum, dass in aller Regel Vereine in den Wettbewerb gelangen, die nicht weit kommen. Die Botschaft ist also nicht, dass Fairness sich auszahlt, sondern vielmehr, dass für fair gespielten Fußball traurigerweise nur Krümel übrig bleiben.
Umgekehrt ist es eine der wenigen Hoffnungen, endlich einmal internationalen Fußball abseits der Länderspiele in Stockholm erleben zu dürfen. Vielleicht gewinnt Schweden dieses Jahr wieder die Fair-Play-Wertung.
Ich wollte es ja nie glauben, aber nun bin ich überzeugt: der Euro wird Schweden in den Ruin stürzen!
Das haben die Mathematiker der Schwedendemokraten herausgefunden, die erzählen, wie teuer so ein Euro nämlich ist. Und Margareta Sandstedt von dieser Partei hat den Mut, das im Parlament auch mal offen zu sagen.
Das ist in der Tat eine Menge Holz. Schweden muss also unbedingt bei der Krone bleiben, damit die Wurst nicht soviel wie kostet wie eine Reihenhaussiedlung.
Und Einwanderung muss gestoppt werden – aber das versteht sich ja von selbst.
Es ist lustig, zu erleben, dass man mit dem, was man sich durch einfache Logik erschlossen hat, richtig liegt. Heute morgen hieß es in Dagens Nyheter: nach einer Umfrage haben 72% der Leute, die in der Warteliste für Mietwohnungen stehen, gar keinen Bedarf an einer Mietwohnung.
Zur Erinnerung:
Mieten sind in Schweden mit „Gebrauchswert“ fixiert, d.h. nicht die Lage in einer guten oder schlechten Gegend bestimmt den Preis, sondern der rein praktische Nutzwert (Fläche, Ausstattung, Nähe zu Supermarkt etc.).
Mieter sind fast unkündbar – wer seinen Mietvertrag nicht verletzt, kann wohnen bleiben.
Damit ist es wenig profitabel und interessant, zu vermieten – besonders in attraktiven Gegenden, wo Grundstückspreise und Baukosten hoch sind. Dort lohnt es sich weit mehr, Eigentumswohnungen zu errichten.
Eigentumswohnungen dürfen in aller Regel nicht untervermietet werden, was das Angebot an legal zu mietenden Wohnstätten massiv begrenzt.
Wohnungen werden in Stockholm per Warteschlange vergeben – wer am längsten drin steht, kriegt die Wohnung am leichtesten.
Kredite für Häuser und Wohnungen werden zu äußerst günstigen Konditionen vergeben. Bis vor einiger Zeit war es möglich, fast die ganze Kaufsumme auf Kredit zu finanzieren. Zudem verlangen viele Banken nur, dass die Zinsen bedient werden. Eine Rückzahlung wird ins Unendliche hinausgeschoben, weil mit einer Wertsteigerung gerechnet wird.
Und nun die logischen Schlussfolgerungen:
Wer eine Wohnung hat, vermietet sie schwarz unter – das ist risikolos, denn aus einer Mietwohnung, die man nicht braucht, kann man so viel Kapital schlagen, und wenn das auffliegt, ist der rechtlose Untermieter der Leidtragende, nicht man selbst. Diese Schlussfolgerung wurde mir schon vor einem Jahr bestätigt, als bei einer Untersuchung großer Wohnungsgesellschaften herauskam, dass 40% der Wohnungen regelwidrig vermietet waren.
Das verknappte Mietwohnungsangebot sorgt für enorme Wartezeiten. Derzeit warten die meisten 4 bis 6 Jahre auf eine Wohnung.
Wer eventuell irgendwann mal eine Wohnung braucht, stellt sich in die Warteschlange für Wohnungen. Egal, ob aktuell Bedarf besteht oder nicht, denn in der Schlange zu stehen kostet wenig. Ich nenne das gerne den Trabi-Effekt, weil man in der DDR wohl auch kaum erst einen Trabi bestellte, wenn man einen brauchte, sondern am besten immer eine Bestellung laufen hatte, damit man im Falle eines Falles nicht mehr so lange warten musste. Dies ist durch den heutigen Artikel voll bestätigt: die meisten der Leute in der Warteschlange stehen dort nur sicherheitshalber. Und, ich bin da ganz offen: ich gehöre auch dazu, denn wenn ich mich erst dann in die Schlange stelle, wenn Bedarf abzusehen ist, dann kriege ich nie rechtzeitig eine brauchbare Wohnung.
Die Leute fliehen zum Eigentumswohnungsmarkt – denn dort regelt der Preis, wie man wohnt, nicht eine absurde Wartezeit.
Irgendwann wird der Eigentumswohnungsmarkt kollabieren – die Preise steigen seit langer Zeit schneller als die Löhne. Irgendwann werden die Kredite für normale Menschen untragbar werden. Dann bleibt nur der Zwangsverkauf. Die Wohnungspreise werden fallen, was Schuldenberge allerorten zurücklassen wird. In letzter Zeit ist immer wieder von einer „Bostadsbubbla“ („Wohnungsblase“) die Rede. Die Experten sind sich nicht sicher, ob sie kommen wird. Mir ist schleierhaft, wie sie nicht kommen kann bei diesen Verhältnissen.
Segregation wird zementiert: wer es sich leisten kann, wohnt innenstadtnah. Wer nicht, wohnt woanders. Passend dazu wurde kürzlich eindrücklich illustriert, dass die Einkommensunterschiede steigen und die Anzahl der Mietwohnungen sinkt.
Damit ist für mich klar: die Regulierung des schwedischen Wohnungsmarkts ist auf ganzer Linie gescheitert. Dieses System soll allen unabhängig von Einkommen und sozialer Herkunft Wohnungen bieten, die bezahlbar sind und gut liegen. Das genaue Gegenteil ist das Resultat: eine Segregation in arme und reiche Viertel, ein blühender Wohnungsschwarzmarkt, und eine Warteschlange, bei der die Wartezeit ein willkürliches Auswahlkriterium ohne Bezug zum realen Bedarf ist.
Es gibt aus meiner Sicht nur einen Weg: Abschaffung der festgesetzten Mietpreise und Lockerung der Mietregelungen, um dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben und den Bau von Mietwohnungen wirtschaftlich interessant zu machen.
Hier zeigt die schwedische Politik eine Angst vor unpopulären Entscheidungen, denn ich sehe niemanden, der so einen Weg gehen will oder einen anderen vorschlägt.
Ich hatte mir alles so schön ausgedacht: rechtzeitig vor dem Winter wechsele ich die Reifen und lasse die Tachobeleuchtung im Armaturenbrett reparieren. Dann kann ich vor Schnee und Eis zu Bilprovningen, dem schwedischen TÜV, fahren und die Sache ist erledigt. Es läuft hierzulande nämlich so, dass man je nach Endziffer des Kennzeichens jedes Jahr in einem bestimmten Zeitraum zur Überprüfung muss. Bei mir ist das September bis Januar.
Brillanter Plan mit Hindernissen
Da es bei sehr kaltem Wetter schonmal passieren kann, dass die Türen nicht mehr aufgehen (letzten Winter musste ich einmal durch den Kofferraum einsteigen), und dies für ein Bestehen der Kontrolle nötig ist, dachte ich mir, ich mache es schlau, bereite das Auto vor und gehe so früh, dass ich den Winter komplett umgehe.
Tja, Pustekuchen.
Nicht nur meine kreuzdämliche Reifenwechselaktion war ein Desaster. Es erwies sich auch, dass das Licht am Tacho nicht nur kaputt war, sondern auch einen Wackelkontakt hat. Zu allem Überfluss ging nun auch noch die Temperatur zeitweise auf -17°C herunter, so dass ich befürchten musste, die Batterie wäre bald sehr leer und ich würde mit vereisten Türen nichtmal vom Parkplatz wegkommen. Nach einer panischen Aufladeaktion letztes Jahr hatte ich auch hier „vorgesorgt“ und mir einen neuen Parkplatz mit Stromanschluss besorgt. Dumm nur, dass der Stromzugang ausschließlich über Zeitschaltuhr geht. Einfach mal ne Nacht aufladen ist nicht vorgesehen – sehr schlau. Immerhin konnte ich mir jetzt eine Standheizung für Arme bauen: Verlängerungskabel durchs Fenster und Heizlüfter drinnen. Funktioniert bemerkenswert gut, solange das Fenster nicht so vereist ist, dass man es nicht öffnen kann.
Auch das mit dem früh zum TÜV gehen scheiterte grandios. Seit diesem Jahr hat Bilprovningen nämlich sein Monopol verloren. Das heißt, andere Firmen können sich akkreditieren lassen und dann selbst die Kontrolle durchführen. Das soll Preise senken usw.
Die neue Konkurrenz für den schwedischen TÜV: eine Kontrollstation im ganzen Land
Klingt schön in der Theorie, klappt aber in der Praxis nur so mittelprächtig: während ich letztes Jahr noch kurzfristig den Termin umbuchen konnte, betragen derzeit die Wartezeiten über einen Monat. Der erste Termin, den ich erhalten konnte, war heute morgen – obwohl ich schon Anfang November gebucht hatte. „Geh‘ ich halt zur Konkurrenz“, dachte ich mir.
Tja, auch Pustekuchen.
Es gibt in ganz Schweden nämlich genau eine (in Worten: eine einzige) Station, die bisher diese Akkreditierung hat. Die liegt in Tyresö, also gar nicht mal so schlecht für mich. Aber: bei der sind die Wartezeiten genauso lang und es kostet genauso viel.
Auch schön, wie die Terminzuteilung nun funktioniert. Bislang bekam man einmal im Jahr Post mit einem Terminvorschlag gegen Ende des zulässigen Zeitraums (bei mir also Januar), den man bei Bedarf umbuchen konnte. Das neue System funktioniert so, dass Bilprovningen einen Termin vorschlägt, den man bestätigt, indem man die ganze Gebühr von 300 kr überweist! Der Vorschlag kam übrigens auch dann, als ich schon lange einen anderen Termin gebucht hatte.
Liberalisierung bisher sehr bescheiden
Die tolle Marktliberalisierung ist schlichtweg daran gescheitert, dass Bilprovningen sicherheitshalber kein Personal eingestellt, damit bei dem sich ändernden Markt keine Überkapazitäten vorhanden sind. Dementsprechend haben sie jetzt zu wenig. Ob das so schnell besser wird, ist fraglich. In den letzten Wochen ist es wohl eher noch schlimmer geworden. Gestern merkte ich, dass mir der Termin nicht so wirklich passt und wollte umbuchen. Nächste Vakanz in meiner nächstliegenden Station: 18. Februar, also über zwei Wochen, nachdem ein totales Fahrverbot eintritt.
Die Bilanz ist also grandios: man zahlt nicht nur genausoviel wie vorher, sondern soll dies teilweise sogar im voraus tun und kriegt irgendwelche Termine in ferner Zukunft.
Also habe ich gestern nacht noch die Batterie gecheckt und den Schnee entfernt. Die Batterie war glücklicherweise noch unter den Lebenden, aber heute nacht fielen nochmal 10 cm Schnee. Zum Glück hatte ich meine „Standheizung“.
Die Überprüfung lief dann super ab. Das ist alles sehr effizient organisiert (wenn man mal ran darf). Die Stoßdämpfer, die letztes Jahr schon etwas verschlissen waren, sind mittlerweile anscheinend entschlissen – zumindest hat er nichts dazu gesagt – und auch sonst ist alles molto bene.
Na dann: ein Jahr schwedischer Straßenverkehr, ich komme.