Nochmal Zäune oder wie austauschbar doch alles ist

Mit etwas scharfer Polemik zum Verhältnis Deutsche-Schweden habe ich offenbar einen Nerv getroffen – zumindest, was die Ausführungen zum Buch von Sandra Eichinger angeht. Vielleicht hätte ich etwas mehr abwägen sollen beim Schreiben, denn wie man in den Kommentaren sieht, hat es nicht an Missverständnissen gemangelt. Vielleicht verstehe ich auch Frau Eichinger falsch und bewerte den von mir kritisierten (und mittlerweile leider nicht mehr frei verfügbaren) Abschnitt ihres Buches über.

Um zum Thema zu kommen: Linda war bei einem Treffen von vier schwedischen Frauen, die in Deutschland leben. Die Ausführungen dazu sind hochinteressant. Ich habe beim Lesen das Gefühl, dass man nur „Schweden“ mit „Deutsche“ und „Messmör“ mit „ungesüßtes Brot“ vertauschen müsste, und schon hätte man eine treffende Beschreibung von dem, was viele Deutsche in Schweden so umtreibt.

Hier ein Satz in Übersetzung, um das mal zu illustrieren:

Man nutzt alles aus, was in Deutschland besser ist als in Schweden, aber man klagt trotzdem darüber wieviel besser es doch in Schweden ist, und man verkehrt nur mit anderen Schweden.

Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass wir uns doch viel ähnlicher sind, als wir wahrhaben wollen.

Auf der anderen Seite des Zauns

Ein Deutscher, der in Schweden lebt, schreibt natürlich über die Schweden, den Blick der Schweden auf Deutsche, den Blick der Deutschen auf Schweden und den Blick beider auf jeden und überhaupt und sowieso.

Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ich mich mit diesem Thema auseinandersetze.

Dennoch gibt es noch einige weitere interessante Fundstücke, die ich hier präsentieren möchte:.

  • Besonderen Eindruck hat irgendwie dieses Buch von Sandra Eichinger (inkl. umfänglicher Leseprobe) (hier auch mit Leseprobe der ersten Seiten) auf mich gemacht – besonders ja, aber deswegen nicht unbedingt gut.
    Ich habe mir das Buch nur anhand der Onlinequellen durchgeschmökert und wenig Lust, es käuflich zu erwerben. Der Ansatz dieses Werks erscheint mir nämlich höchst suspekt. Schon der Klappentext verrät, dass das Ganze „subjektiv geprägt“ ist, was gepaart mit dem Ansinnen, „untersuchen“ zu wollen, „welchen Realitäten sich der ausgewanderte Deutsche gegenüber sieht“, schon einmal die Frage aufwirft, ob eine subjektive Untersuchung irgendein objektives Ergebnis erbringen kann. Daran ist aber noch nichts schlimmes, zumal ich hier ja auch subjektiv gefärbt über dieses Land schreibe. Wo es anmaßend und bigott wird, ist, wenn im letzten Kapital „Rückwanderung nach Deutschland“ stellvertretend für „den Deutschen“ festgestellt werden muss, warum dieser zurückwandert – trotz des Fakts, dass Deutsche die sechstgrößte schwedische Einwanderergruppe sind. Geradezu entlarvend ist dieser Satz:

    Was soll man in einem Land, mit dessen Menschen man nicht wirklich vertraut wird, und für deren Verhalten man kein Verständnis entwickeln kann, da man selbst so anders ist?

    Ja, wie unverschämt doch alle sind, anders zu sein als wir, und dann noch so anders, dass wir sie gar nicht verstehen können. Wie kann ein Land so dreist sein, sich nicht voll auf deutsche Befindlichkeiten anzupassen?

    Das Fragezeichen im Titel scheint in Wirklichkeit ein Ausrufezeichen zu sein.
    Das Buch mag in einigen Teilen gut recherchiert sein, aber es ist mitnichten eine „Untersuchung“. Da werden Einzeläußerungen mit Nebensächlichkeiten versponnen, was den Verdacht, es handele sich um mehr als nur Meinung, schon ziemlich zerstreut.
    Es ist eine Abrechnung mit einem Land, in dem man nicht klargekommen ist und dem man deswegen die Schuld am eigenen Scheitern gibt. Die Verbitterung hat offenkundig ausgereicht, ein Buch zu schreiben und es auf eigene Kosten im Selbstverlag herauszubringen.

    Der geneigte Leser kann sich das Machwerk ja einmal ansehen – weite Teile sind schließlich online – und sich eine Meinung bilden. Ich würde sie gerne in den Kommentaren lesen.

  • Zaunseitenwechsel: diesen schon etwas älteren Blogeintrag zu den Inga-Lindström-Filmen habe ich gefunden. Ein Schwede äußert seine Gedanken zu einem der Filme – sehr interessant, aber man muss leider schwedisch können.

    Hier aber ein paar Highlights:

    Die Fotografie und die Ästhetik sind die eines Reklamefilms.[…] In jedem Fall wartet man die ganze Zeit darauf, dass jemand die stilvolle Umgebung […] kommentiert. […] Unsere Heldin […] betreibt ein Käsegeschäft in Stockholm, wo sie Besuch von einem Mann […] bekommt, der erzählt, dass er Elchwurst herstellt und sich fragt, ob die Heldin nicht vielleicht interessiert ist, diese in ihr Sortiment zu nehmen. […] Sie essen in einem Fischrestaurant […] und sind sich einig, für ein paar Urlaubstage in der Nähe ein Haus zu mieten […]. Sie fahren um die Ecke, um zu dem Haus zu kommen und finden sich direkt in den Schären von Söderköping, wo es ihnen gefällt. […] Es erweist sich natürlich, dass der Elchwurstfabrikant einen Garten mit einem kleinen Elchgehege hat. Ich glaube, man sieht mich mehr als vier Elche darin […] Wenn sie den Käse exklusiv nennen, ist das eine Untertreibung. […] Lasst uns übrigens eine Sache klar machen, bevor wir das ganze deutsche Volk zu Idioten erkären: soweit ich das verstehe, ist es keine Unmöglichkeit, Käse aus Elchmilch zu machen.

    Ich musste einige Male lachen beim Lesen.

  • Kurz über den Zaun gesprungen: angeblich scheint es in Schweden weit verbreitet zu sein, dass die Deutschen „allgemein, immer und überall“ von den „dummen Schweden“ sprechen. Wie dieses Blog darlegt, basiert das aber nur auf einer Satire aus dem Jahr 1864. Mir ist dies bislang aber noch nie untergekommen.
  • Und nochmal drüber: Linda Karlsson lebt seit 2001 in Deutschland und bloggt auf schwedisch über ihr leben dort. Inga Lindström hat sie auch schon in einem Beitrag behandelt. Auf alle Fälle einen Blick wert.

Glückwunsch

Es sei nur kurz angemerkt, dass Carolina Klüft es mal wieder geschafft hat und die Goldmedaille im Siebenkampf gewonnen hat – es war anders kaum zu erwarten. Da kann man nur gratulieren.

Irgendwie fand ich die Schreibweise der südkoreanischen Hauptstadt Seoul aber fast genauso spannend wie dieses Ergebnis. Die schreibt man im Schwedischen nämlich als „Söul„.

Auswandererguide Teil I – Die schwedische Sprache

In letzter Zeit wurde mir vermehrt von Reality-TV-Serien berichtet, wo grenzdebile Deutsche dabei gefilmt werden, wie sie mit idiotischen Ideen bestückt und logistisch schlecht vorbereitet auswandern, um dann festzustellen, dass die ganze Aktion ein totaler Griff ins Klo war und sich selbst gebastelte Sonnenhüte am Nordkap doch nicht so gut verkaufen.
Meist scheitert das ganze Vorhaben aber an der offensichtlichsten Hürde: der Sprache.

Braucht man wirklich schwedisch zu lernen, um in Schweden zu leben? Die Antwort ist ein klares Jein. Ich kenne zahlreiche ausländische Studenten, die ein Jahr (und mehr) in Schweden leben, ohne über Begrüßungs- und Dankesfloskeln herauszukommen. Gerade in Stockholm wird schon bei ersten Anzeichen des Unverstehens sofort Englisch angeboten. Dass Englisch als Option nicht offen stand, ist mir bislang auch nur wenige Male untergekommen. Laut Wikipedia sprechen 80% der Schweden Englisch und über 20% Deutsch. Wie gut die Sprachkenntnisse sind, geht daraus nicht hervor, aber im Allgemeinen ist das Niveau zumindest im Englischen sehr hoch. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Filme hierzulande nicht durch Synchronisierung verstümmelt werden, sondern mit Untertiteln versehen in Originalsprache laufen.
Sicherlich ist man in Stockholm diesbezüglich an einem privilegierten Ort des Landes, denn nirgendwo sonst dürfte Vielfalt und Umfang der Einwanderergemeinde so groß sein wie hier. Dafür sorgen nicht zuletzt internationale Institutionen und zahlreiche Botschaften.
Ob man in anderen Landesteilen auch immer so leicht mit Englisch durchkommt, kann ich nur aus meinen touristischen Erfahrungen erzählen, und die sind fast durchweg genauso wie in Stockholm: wer Englisch kann, kann sich immer verständigen.

„Durchkommen“ ist also nicht das Problem. Man sollte sich allerdings ernsthaft fragen, ob man in einem Land leben will, ohne dessen Sprache zu sprechen. Man nutzt letzten Endes auch das Entgegenkommen der Schweden aus, wenn man sich selbst nicht bemüht, ihnen entgegen zu kommen.

Man wird auch gegen eine Wand laufen, wenn es um die essentiellen Dinge des Lebens im Ausland geht: für die Integration ist es unerlässlich, mit den Einheimischen in ihrer Sprache kommunizieren zu können, und ohne ausreichende Schwedischkenntnisse einen Job zu finden, mag vielleicht für einen hochqualifizierten Softwarespezialisten eine Option sein – für die große Mehrheit der Stellen trifft dies nicht zu.
Die Schweden sind übrigens meist erfreut, wenn man ihre Sprache spricht. Ganz anders als wir Deutschen, die in ungerechtfertigten Weltspracheallüren Deutschkenntnisse voraussetzen.

Lernen wollen und wirklich lernen sind aber immer noch zwei verschiedene Dinge. Jeder der oben erwähnten ausländischen Studenten hat nämlich einen Anfängerkurs gemacht. Eine Sprache zu lernen ist natürlich selten wirklich leicht – dennoch ist es bei Schwedisch zumindest aus deutscher Sicht ein Luxusproblem.
Die deutsche Sprache hat nämlich viele Spuren hinterlassen, so dass Ähnlichkeiten im Wortschatz haufenweise vorhanden sind. Auch Ähnlichkeiten in der Grammatik gibt es einige. Erleichternd kommt hinzu, dass die Grammatik allgemein leichter ist, da es nur zwei Genera gibt und im Allgemeinen nicht dekliniert wird. Lediglich, dass Adverbien ihre Form je nachdem verändern, ob sie zu einem Wort im Plural oder Singular gehören, und dass es statt Artikeln bestimmte Anhängsel an Wörter gibt, macht es etwas schwerer. Hinzu kommt eine ziemlich gnadenlose Rechtschreibung, die die Sache aber erheblich leichter macht als im Deutschen.
Aus meiner Sicht ist es vor allem die Aussprache, die problematisch ist: o wird oft zu u, u zu ü, k manchmal zu sch, g manchmal zu j und in Sachen Betonung geht es melodisch hoch und runter. Da ist man als Deutscher am ehesten noch im südschwedischen Skåne heimisch, wo der Dialekt so stark vom Dänischen beeinflusst ist, dass er sich zu guten Teilen nicht an die allgemeinen Regeln hält. Hat man sich jedoch irgendwann einmal ins Rikssvenska (Reichsschwedisch) hineingehört, dann tut sich mit dem Dialekt aus Skåne schwer, und Dänisch klingt nur noch nach einem seltsam betonten Kauderwelsch.

Ich für meinen Teil konnte nach Kursen in Deutschland schon nach einigen Wochen die sprachlich anspruchslosen U-Bahn-Zeitungen Stockholms einigermaßen lesen. Heute sind es freilich Bücher und allerlei Zeitungen. Aktives Sprechen fällt mir jedoch immer noch schwer, weil ich die allermeiste Zeit in einer nichtschwedischen Umgebung verbringe, so dass einfach das tägliche Training fehlt. Dies ist auch ein Grund, wieso ich diesen Sommer Bus fahre.

Sprachtalentierten mag es gelingen, schon im Vorfeld in Deutschland ein passables Schwedisch zu erlernen – für mich war das leider nicht möglich, gab mir aber einen guten Start. Uni- oder VHS-Kurse sind in jedem Fall empfehlenswert. Im Übrigen sind die Angebote hier häufig besser als man glauben mag. An der stark naturwissenschaftlich geprägten Uni Karlsruhe gab es zeitweise drei verschiedene Kurse zur Auswahl.

Wer sich wundert, wo man denn in Schweden dann weiterlernen kann:

  • Sämtlichen Einwanderern steht „Svenska för invandrare“ (SFI) offen. Die Kurse sind meines Wissens kostenlos. Wie sich diese Kurse letztendlich zusammensetzen, weiß ich nicht – ich gehe aber davon aus, dass es weniger Europäer sind, sondern vor allem Menschen, die aus Krisenherden geflohen sind. Im Jahr 2006 war nämlich die größte Einwanderergruppe die der Iraker.
  • Für Studenten bieten die Hochschule oft Kurse an. Bei Austauschstudenten ist es sogar zumeist so, dass Extrakurse im Sommer veranstaltet werden, damit jeder die Gelegenheit hat, an einem solchen teilzunehmen. Die KTH organisiert auch Tandems, d.h. Treffen mit Schweden, bei denen man sich die jeweils andere Sprache gegenseitig beibringt.
  • Darüberhinaus gibt es kostenpflichtige Kurse, beispielsweise bei der Folkhögskola (Volkshochschule), aber auch bei anderen Organisationen.
  • Eine weitere Option für die schon etwas fortgeschrittenen Lerner ist das sogenannte „komvux„. Dies ist die „kommunal vuxenutbildning“ (kommunale Erwachsenenbildung), die in Form eines Abendgymnasiums zur Verfügung steht. Dort gibt es Schwedischkurse, die letztendlich das Hochschullevel erreichen. Geht man diesen Weg und beabsichtigt, später etwas auf Schwedisch zu studieren, erspart man das Ablegen des TISUS-Tests, einem Schwedischtest, der die Befähigung zur Aufnahme eines Hochschulstudiums in Schwedisch bescheinigt.

Wie gut man die Sprache letztendlich lernt, hängt freilich von einem selbst ab.

Ein positiver Aspekt der schwedischen Sprache ist für mich auch, dass es wie oben schon erwähnt Dialekte gibt. Zwar stöhnen manche Leute auf, wenn sie einen bestimmten Dialekt hören, aber es dominiert die Toleranz. So hört man auch in Radio und Fernsehen oft die verschiedenen Dialekte, was auch vollkommen akzeptiert wird. Damit trägt man auch zur Erhaltung dieser Vielfalt bei. Dies ist für mich als Dialektsprecher sehr erfreulich, denn in Deutschland landet man als solcher automatisch in der Ecke der Provinziellen und Ungebildeten. Man stelle sich vor, die Tagesschau würde einmal auf sächsisch verlesen…

Fazit also: die Sprache zu können ist für manche Tätigkeiten kein Muss, aber in jedem Fall ein Soll. Beabsichtigt man, längere Zeit in Schweden zu bleiben, sollte man sich aber schon darum bemühen, da sonst eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft kaum denkbar ist und das Finden eines Jobs schwer wird. Die schwedische Sprache ist für deutsche Muttersprachler aber nicht so schwer, dass sie eine unüberwindbare Hürde wäre.

Prata Svenska – Lite

Es regnet, ich mache Frühstück. Es gibt wohl die letzten Erdbeeren dieses Jahres. Am Küchentisch sitzt Hector, mein neuer mexikanischer Mitbewohner, und unterhält sich mit einem der Chinesen über eines der Topthemen unter den Studenten hier: Unterkunft, d.h. wie die jetzige ist und wie man möglichst an eine bessere kommen könnte.

Ich diskutiere etwas mit. Die eigenwilligen Essgewohnheiten mancher Chinesen treibt groteskere Blüten, als ich erwartet hatte. Am Nebentisch sitzen zwei Chinesinnen. Eine von ihnen verfeinert ihr Frühstück – was auch immer es sein mag – mit Ketchup.
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