Ausgezählt

Heute, also 12 Tage nach der Wahl, ist die Auszählung der Stimmen endlich beendet. Die Stimmenzähler hier im Län, die als letzte fertig wurden, werden wahrscheinlich Freudestänze aufgeführt haben.

Zur Stunde warten einige Ergebnisse noch auf ein genehmigtes Protokoll, so dass die endgültige Sitzeinteilung vorläufig oder noch nicht bekanntgegeben ist. Diese ist z.B. für den Landsting in Stockholms Län noch nicht bekannt.

Jedoch ist klar, dass die Moderaterna dazugewonnen haben, aber damit nicht die Verluste der anderen bürgerlichen Parteien ausgleichen konnten. Der linke Block hat allerdings gewonnen, wenn auch nur dank der Stimmengewinne bei den Grünen. Eine gute Nachricht ist auch, dass die Schwedendemokraten mit 2,83% an der für den Landsting gültigen 3-Prozent-Hürde gescheitert sind. Im Wesentlichen bleibt alles beim alten: die Bürgerlichen haben trotz Verlusten noch eine Mehrheit. Die Verluste gehen praktisch direkt an die Grünen.

Auch beim Stadtrat Stockholms ist noch keine Sitzzuteilung gemacht. Hier stellt sich die Sache etwas anders dar: die Moderaterna haben 2,86% eingebüßt, während die Zentrumspartei und Volkspartei (liberal) zugelegt haben. Insgesamt hat aber auch hier der bürgerliche Block rund 2% verloren, was wiederum die Mehrheit auch nicht gefährdet – laut vorläufigem Protokoll reicht es für 52 bürgerliche Mandate bei insgesamt 101 Stadträten. Auf der linken Seite sind wiederum die Grünen die Gewinner. Sie haben 4,67% zugelegt und gewinnen 6 Mandate hinzu. Ich sollte mich eigentlich auch hier freuen, dass die Schwedendemokraten nicht hineingekommen sind. Das Ergebnis verwundert mich aber etwas. In den Kommunen gibt es nämlich keine Prozent-Hürden, und so müssten die 2,62%, die die Schwedendemokraten bekommen haben, eigentlich für mindestens 2, wenn nicht 3 Mandate reichen. Bislang wird ihnen aber keines zugewiesen.

In meiner Wohnsitzgemeinde Värmdö haben sie hingegen zwei Gemeinderäte, was natürlich betrüblich ist. Auch für einen wunderhaften Sieg meines Favoriten Börge Hellström hat es nicht gereicht. Die Sozialdemokraten haben 2 Sitze verloren und stellen nun nur noch 15 Räte. Börge stand sowieso nur auf Listenplatz 19, und so musste er in jedem Fall direkt gewählt werden, um hinein zu kommen. Dafür hätte er 5% der Stimmen in einem der beiden Wahlkreis bekommen müssen. Da er als lokaler Kandidat natürlich nicht in dem anderen Wahlkreis Werbung machte, erhielt er dort so gut wie nichts. Aber auch in meinem Wahlkreis reichte es nur für 2,79% der Stimmen. Schade irgendwie.

Inga Lindström – Die Prinzessin des Herzens oder wie man Zuschauern ein Nashorn als Elch verkauft

Eine der besten Szenen kommt gleich zu Anfang. Die Hauptfigur – eine Prinzessin, aber dazu später mehr – ist in Stockholm auf der Flucht vor Paparazzi. Sie rennt ihnen davon, und zwar ungefähr auf diesem Weg:


Visa Weg der „Prinzessin“ på en större karta

Neben der offenkundigen geographischen Unsinnigkeit der Szenen ist die Geschwindigkeit beeindruckend: ca. 5,4 km in 45 Filmsekunden – das macht 419 km/h im Schnitt. Eine beachtliche Leistung, das muss man schon sagen. Ich erinnere mich noch genau an den Drehtag, als ich den von der Prinzessin verursachten Überschnallknall vernahm.

Die Flucht gelingt, auch weil sie sich von einem herumstehenden Motorrad einen Helm nimmt. Der Besitzer des Gefährts kehrt aber zurück, ist ausgesprochen gutaussehend und die Prinzessin ist peinlich berührt.

Die meiste Zeit des Films ist es aber eher der Zuschauer, dem das Gezeigte die Schamesröte ins Gesicht treibt. Nicht wegen solcher sehr freien Interpretationen der Stockholmer Geografie wie oben dargestellt. Die Geschichte ist nämlich derart hanebüchen, dass es auch hartgesottenen Rosamunde-Pilcher-erprobten ZDF-Zuschauern reichlich obstrus vorkommen muss.

Weniger rasant, aber mindestens genauso unsinnig: die Handlung

Die Prinzessin heißt Christina, und ist nicht etwa Tochter eines Königs, sondern des Herzogs von Köping, einem Adelsspross aus einer Nebenlinie des Königshauses. Der ist mit Rufus Beck besetzt, der v.a. dank seiner Frisur ungefähr so gut in die Rolle eines schwedischen Aristrokraten passt wie Pete Doherty in die Rolle eines Entzugsklinikchefs. Christina wird in Kürze heiraten, und zwar den schnieken Henrik, seines Zeichens Prinz von Lappland. Und wenn der König von Lappland einmal abdankt oder den Löffel abgibt, dann wird sie Königin vom allseits bekannten Königreich Lappland mit all seinen Rentieren, Elchen, Wölfen, Bären und Rentieren – ach ne, die hatten wir ja schon. Ein Superdeal also, und der Herzog macht ihr deutlich, dass es ja wohl eine Sache des Pflichtbewusstseins sei, diese Ehe einzugehen.

Wenn da nicht Sven wäre, der wiederum Landschaftsarchitekt ist – das sind in dem Film Gärtner, die mit einem Bauplan herumstehen – und das Motorrad besitzt, an dem sich die Prinzessin eines Helms bemächtigt hat. Rein zufällig natürlich begegnen sich die beiden wieder bei der Eröffnung eines Golfclubs, die die Prinzessin durchführen soll. Sie hat ein bisschen Zeit und kommt beim Umherschlendern unter die Sprinkleranlage für den Rasen. Und wie man das eben so macht, bleibt man gleich im Wasser stehen und unterhält sich angeregt. Trocknen kann man schließlich später. Sven ist nämlich ein echter Gentleman und nimmt sie auf dem Motorrad mit zu sich nach Hause. Sein Haus ist – Achtung, jetzt wird es anarchisch – gelb und nicht rot, hat aber einen Kleiderschrank mit Klamotten seiner Schwester, woraus ihre Durchlaucht ein (trockenes) Kleid erhält. Sven ist nämlich Single und in Royal-Sachen ziemlich unbewandert. Deswegen ist ihm auch nicht ganz klar, wen er sich da ins Haus geholt hat. Seinen Schwestern – er hat zwei davon – aber schon, weswegen sie auch prompt einen Take-That-Gedächtniskreischer loslassen.

Es ist immer der Gärtner, pardon, Landschaftsarchitekt

Zur Familie von Sven gehört noch eine bezaubernde Nichte und ein Statist, der Fische durch die Gegend trägt und vermutlich der einzige echte Schwede in der Veranstaltung ist. Deswegen darf er sicherheitshalber nur ein paar Halbsätze sagen, und sogar die wurden auch noch synchronisiert. Die ganze Baggage lernt Christina kennen, als sie das Kleid zurückbringt. Natürlich findet sie Sven höchst charmant, und es kommt, wie es in solchen Filmen kommen muss: die beiden mögen sich ziemlich.

Dumm nur, dass die Gute ja schon kurz vor dem Traualtar steht. Dieser wiederum steht, wie man eingangs bei der Generalprobe sieht, sozusagen unter einem Partyzelt vor dem herzöglichen Landschloss. Der Herzog selbst ist übrigens Witwer und hat eine Affäre mit einer Klatschjournalistin, die den fast schon comichaften Namen Mona Misselholm trägt. Sie verlangt, dass er sich zu ihr bekennt, was er aber noch nicht so recht möchte. Das findet sie tendenziell eher nicht so gut. Es kommt zum Zerwürfnis. Was er nicht weiß: sie ist schwanger.

Derweil geht es auf einer schönen Insel – vermutlich auf dem Mälaren – zwischen Christina und Sven heiß her. Wie das so in Filmen ist, war das bescheidene königliche Boot (ohne Ironie: es ist eine Nussschale) unzureichend betankt und die beiden stranden auf jenem Eiland, weswegen die Durchlauchte das Krankenhaus nicht einweihen kann, das ihre selige Mutter einst auf den Weg brachte. Das gibt mächtig Ärger, als sie zurückkommt: sie muss ohne Abendessen ins Bett, und Henrik zeigt zwar, dass er sie liebt, aber im Grunde doch ein ziemlicher Schnösel ist. Sven ist mächtig deprimiert und beschließt, nach Finnland zu gehen.

Irgendwann hat der Herzog auch noch einen Autounfall, aber das ist nur Vorgeplänkel für den großen Schlussakt: er entdeckt in Monas Handtasche ein Ultraschallfoto. Die Gute ist nämlich schwanger, und zwar in der 12. Woche. Das Kind auf dem Foto ist aber eher in der 36. Woche und macht vermutlich eine Woche nach Geburt seinen Schulabschluss. Aber zurück zum Herzog: der hat Schwierigkeiten, mit Gips am Bein auf die Knie zu gehen, tut es aber trotzdem, denn er will Mona heiraten. Das findet sie tendenziell eher gut und sagt ja. Sie will aber den Artikel über die Sache selbst schreiben. Vielleicht kann sie an dem Artikel weiterschreiben, den sie angefangen hatte, als sie von dem Autounfall erfuhr. Er begann so:

Danpå en, som en sen
Som mycktiga här sides synenetta

Was soviel heißt wie „Das halten wir beim Produktionsteam für Schwedisch.“.

Der nun milde gestimmte Herzog kann letzten Endes akzeptieren, dass Christina den werten Henrik doch nicht mehr heiraten will. Dieser ist ein bisschen geknickt und muss alleine auf dem Elch nach Hause reiten. Christina hingegen ist außerordentlich glücklich, aber Sven ja schon auf dem Weg nach Finnland. Die schnellste Prinzessin der Welt schafft es in bemerkenswerten 30 Minuten, vom Landschloss am Mälaren zum Viking-Line-Terminal auf Södermalm zu fahren, wo Sven sich scheinbar gerade auf das Schiff Mariella (Farbe: rot) begibt, um kurz darauf mit dem Schiff Cinderella (Farbe: weiß) wegzufahren. In Wirklichkeit sitzt er aber an einem Aussichtspunkt und denkt intensivst nach. Da kommt ihm Christina natürlich gerade recht. Friede, Freude, Eierkuchen.

Vergessen wir einmal den ganzen Schmalz dieser Geschichte. Selbst wenn man über die üblichen unplausiblen Darstellungen Schwedens in den Lindström-Filmen hinwegsieht, so erreicht dieses Machwerk eine neue Dimension. Da braucht man gar nicht so sehr ins Detail zu gehen.

Zuschauer für dumm verkaufen

Für Royal-Desinteressierte muss die Darstellung des Adels schon absurd erscheinen. Für Royal-Begeisterte ist es der blanke Hohn.
Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Herzog auch eine Prinzessin hat. Aber nicht in Schweden. Die einzigen Herzöge, die dieses Land heute noch hat, sind die Kinder des Königs. Und selbst wenn es noch Herzöge gäbe, dann bestimmt keinen von Köping – wobei ich immerhin hoch anrechnen muss, dass Köping im Film korrekt als „Schöping“ ausgesprochen wird. Zudem sind Geographienamen in Adelsnamen in Schweden eher ungebräuchlich, soweit ich weiß. Erst recht abstrus wird es, wenn der Umgang mit der Prinzessin dargestellt wird. Der Umgang mit der aus irgendeiner Nebenlinie stammenden Adeligen schwankt zwischen Superstar und vollkommen unbekannt. Alle, die sie kennen, verfallen in eine Untertänigkeit, die man selbst in England nur bei der königlichen Familie selbst zeigen würde. Alle, die sie nicht kennen, sind überrascht, dass die anderen sie kennen. Als Sahnehäubchen macht sie auch noch einen auf Prinzessin auf der Erbse, die sich bei der ihr natürlich vollkommen unbekannten Tätigkeit des Kartoffelschälens nach 100 Millisekunden in die Finger schneidet.

Der Abschuss ist freilich der Prinz von Lappland. Musste es gleich ein Königssohn sein? Ich kann ja noch verstehen, dass man sich mit keinem existierenden Königshaus anlegen wollte, aber dass man ausgerechnet mit Lappland einen der dünnsten besiedelten Landstriche des Kontinents gewählt hat, der zudem auch noch teilweise zu Schweden selbst gehört, ist ein schlechter Witz.

Noch grotesker ist der zentrale Konflikt des Films: die Prinzessin fühlt sich aus Pflichtbewusstsein dazu genötigt, den Spitzenadligen Henrik zu heiraten und nicht den gewöhnlichen Bürgerlichen Sven. Und das wohl gemerkt in einem Jahr, in dem die schwedische Thronfolgerin ihren ehemaligen Fitnesstrainer heiratete!! Das hätte man sich nicht schlechter aussuchen können, zumal dieser Film offenkundig ein Trittbrettfahrer in Sachen Prinzessinnenhochzeit ist.

In diesem Film stimmt also so ziemlich gar nichts – mit dem feinen Unterschied, dass auch diejenigen, die wirklich glaubten, das Ganze habe etwas mit Schweden zu tun, sich gründlich verarscht vorkommen müssen.

Christiane Sadlo, wie Inga Lindström wirklich heißt, hätte besser von royalen Ambitionen die Finger gelassen. Das ewig gleiche Grundthema des idealisierten schwedischen Landlebens mit Holzhäusern und Picknick im Grünen gegenüber der vermeintlich hektischen Stadt, die immer Stockholm, aber nie Göteborg oder Malmö ist, hätte ohne diese an den Haaren herbeigezogenen Adligen erheblich besser funktioniert. Dass sie das Land Schweden verhöhnt, indem sie es zu einer Naturkulisse für Schmachtgeschichten degradiert und dabei ein Kunstprodukt ohne realen Bezug erzeugt, ist schlimm genug. Ihre Zuschauer aber für derart dumm zu halten, dass sie ihr diesen gequirlten Blödsinn abkaufen, ist armselig.

Das lag da so rum

In diesem Blog streife ich selten die Grenzen der Schlüpfrigkeit. Aber, was soll ich sagen: das lag da so auf der Straße rum, und wenn Google Street View da einfach so fotografieren, dann ich wohl auch, oder?

Die Straßen von Stockholm - die ganze Wahrheit

Wobei, bei Google Street View sähe das wohl eher so aus:

So erkennt die keiner mehr

Etwas Pietät muss schließlich sein.

SkyView auf dem Globen

Wieviele Berliner besuchen regelmäßig das Brandenburger Tor? Wieviele Londoner die Westminster Abbey?

Nicht allzuviele, möchte ich annehmen. Die Sehenswürdigkeiten nimmt man also Einwohner eines touristisch interessanten Ortes selten wahr. Es sei denn, es kommt Besuch.

Ein solcher war soeben hier, und als Geburtstagsgeschenk hatte ich mir gedacht, dass wir einmal mit dem Globen SkyView fahren. Das war nicht ganz ohne Eigennutz, denn auch ich habe dieses Gefährt bislang nur von weitem gesehen.

Es handelt sich um eine Seilbahn, die am Globen, einer kugelförmigen Veranstaltungshalle im Süden Stockholms, hochfährt. Das Gebäude selbst existiert schon seit 1989, aber erst seit 2009 gibt es auch die Bahn. Eigentlich ein naheliegender Standort, denn das Gebäude ist das größte Schwedens (laut Werbung), auch wenn sich das wohl eher auf das Volumen bezieht, denn der Fernsehturm Kaknästornet ist deutlich höher. Es handelt sich natürlich um eine geplante Touristenattraktion und wird auch dementsprechend vermarktet. Der angeschlossene Shop verkauft Shirts, Tassen und anderen Krimskrams.

Eine Fahrt kostet 130 kr, also gut 13 €. Man kann sich fragen, ob sich das lohnt, denn der ganze Spaß dauert gerade einmal 20 Minuten. Den ersten Teil dieser Zeit verbringt man in einem kleinen Kino, wo einem etwas über die Geschichte des Globen gezeigt wird. Am Ende des Films kommen „Sicherheitshinweise“, die man sich auch denken kann. Die Tür öffnet automatisch, und eine Ecke später ist man in der kugelförmigen Gondel.

Ich habe meine Gäste fairerweise darauf hingewiesen, dass eine der Kugeln vor einiger Zeit stehen blieb und alle Fahrgäste über ein Brett in die andere Kugel umsteigen mussten. Wir fuhren trotzdem, gemächlich und wieder runter.

Oben nahm ich, wie oben im Bild zu sehen, den großen Sehenswürdigkeitensichtbarkeitscheck vor. Einzige immer geöffnete Konkurrenz dürfte besagter Fernsehturm sein, und mit diesem teilt sich der Globen ein Manko: zentrumsnah sind beide nicht. Das Stadshuset ist denn auch die einzige große Sehenswürdigkeit Stockholms, die man vom SkyView sofort sieht. Wenn man etwas genauer hinsieht, erblickt man auch einige Dinge auf Djurgården, z.B. den Kirchturm in Skansen. Schwierig zu erkennen sind hingegen die zentralen Teile der Stadt. Die Türme der Altstadtkirchen konnte ich mit letzter Sicherheit erst nachträglich auf den Fotos identifizieren. Der Königspalast verschwindet fast völlig. Dagegen sieht man Södermalms Wahrzeichen wie die Sofia Kyrka recht gut.

Aber: welcher Tourist fährt schon wegen des Skatteskrapan oder der Götgatan auf einen Aussichtspunkt?

Mich würde einmal interessieren, wie sich der Turm des Stadshuset im Vergleich schlagen würde.

Botschaft zieht um

Wie ich gerade lese, zieht die deutsche Botschaft nach über 2 Jahren in der Artillerigatan 64 wieder zurück in ihr altes Domizil, das Botschaftsgebäude in der Skarpögatan 9. Von 3. bis 6. September ist deswegen geschlossen, und ab 7. September wird der Betrieb dort aufgenommen.

Das alte Botschaftsgebäude ist geschichtsträchtig, denn dort versuchte die RAF im Jahr 1975, durch eine Geiselnahme im Gefängnis einsitzende RAF-Mitglieder freizupressen. Zwei Botschaftsmitarbeiter wurden dabei ermordet und zwei RAF-Mitglieder kamen um. Die Botschaft behielt aber auch nach dieser Tragödie ihren Sitz in dem Gebäude im Botschaftsviertel von Stockholm.

Leider ist wohl nicht zu erwarten, dass die Grundsanierung die Immobilie so hübsch gemacht hat wie z.B. die italienische Botschaft.

Oakhill, Sitz der italienischen Botschaft in Stockholm; Quelle: Holger.Ellgaard, CC-3.0

Sie ist nämlich ein nicht gerade sehr ansehnlicher Zweckbau vom Ende der 1950er Jahre.

Gebäude der Deutschen Botschaft; Quelle: Holger.Ellgaard/CC-3.0

Der vorübergehende Sitz in der Artillerigatan ist allerdings auch nicht viel hübscher, was nicht nur an der Bildqualität in folgendem Foto liegt.

Vorübergehendes Gebäude in der Artillerigatan

Viel Grund zu Wehmut gäbe es eigentlich nicht. Jedoch ist die neue Lokalität für Menschen, die dort etwas wollen, weit weniger gut gelegen. Nicht nur, weil man ein ziemliches Stück laufen muss, wenn man mit der U-Bahn dort hin will. Bei Passanträgen verlangt die Botschaft zudem die Gebühren in bar und Passfotos im richtigen Format. Das konnte man bislang alles im nahegelegenen Fältöversten beschaffen. In der Skarpögatan gibt es aber mit Sicherheit weder Geldautomat noch Fotogeschäft, was die ganze Sache weitaus beschwerlicher macht.

Es gilt also, die Merkblätter vor dem Besuch gründlichst zu lesen und alles wichtige mitzubringen, damit man keine langen Märsche antreten muss.

Butler in der U-Bahn

Der Jugendverband der derzeit regierenden bürgerlichen Moderaten MUF hat dieses Video zum neuesten Vorschlag der Stockholmer Sozialdemokraten, eine „Butler“-Dienste in der U-Bahn einzuführen, gedreht. Man muss ihnen ein Kompliment machen: das Ergebnis ist nicht zum fremdschämen, und das kann man bei kreativen Auswüchsen von politischen Jugendverbänden schon als Erfolg betrachten.

Ich weiß nicht so recht, was ich von dem Vorschlag halten soll. Neue Einrichtungen in den U-Bahnen finde ich nicht verkehrt. Mir fällt spontan nur ein Geschäft ein, das sich auf dem Bahnsteig befindet: ein Schlüssel- und Schuhdienst in der Station Karlaplan. Wenn es da ungenutzte Räume gibt, spricht nichts dagegen, diese zu nutzen, sei es nun für Geschäfte oder eben Dienstleister. Den Vorschlag aber als „Butler“-Dienst zu bezeichnen, der Stockholmern helfen soll, ihre Freizeit besser zu nutzen, erscheint mir aber etwas weit hergeholt. Das erinnerte mich an das etwas unnötig erscheinende Bahnsteigspersonal des neuen U-Bahn-Betreibers MTR.

Das alles macht auf mich den Eindruck, die Sozialdemokraten verfolgen als Wahlkampstrategier, jede Woche eine neue Sau durchs Dorf (bzw. die Stadt) zu treiben. Vielleicht haben sie Angst, dass ambitionierte Nahverkehrspläne nicht ausreichen, und glauben, man müsse nun mit plakativen Forderungen eins draufsetzen. Erst kürzlich versprachen sie, Kinder bis 12 gratis fahren zu lassen und die Fahrkartenpreise zu senken. Außerdem soll der nach der letzten Wahl abgeschaffte Einheitstarif für alle Fahrten in der Region wieder kommen.

Das Problem ist nur, dass das alles Geld kostet. Der Einheitstarif wurde nämlich nach nur einem Jahr abgeschafft, weil er SL Verluste bescherte. Mit der Freigabe der U-Bahn-Stationen für externe Anbieter kann man vielleicht etwas einnehmen, aber das kann die ganzen anderen Pläne kaum finanzieren. Die Frage ist: hat die Region Stockholm denn so viel Geld?

Was beim Midnattsloppet zu verbessern wäre

Einen Tag später sind die Dinge oft klarer zu sehen. Umso erfreulicher ist, dass allem Anschein nach sich keiner berufen fühlte, nach den zwei Todesfällen beim Midnattsloppet letzten Samstag irgendwelche wilden Forderungen an die Veranstalter des Midnattsloppet zu stellen. Vielleicht liegt das auch daran, dass schon im Vorjahr ein Mann beim Midnattsloppet in Göteborg nach dem Ziel kollabierte und verstarb.

Schlecht organisierte Wasserstationen

Vereinzelt liest man Kritik an der Wasserversorgung. In der Tat war diese schlechter als in vergangenen Jahren, zumindest im Ziel. Ich stand auch mehrere Minuten an, um mir einen Wasserbecher zu ergattern, weil die Helfer nicht mehr hinterherkamen. Später gingen die Becher aus und mussten mehrfach verwendet werden. Das mag an dem sicherlich wetterbedingt höheren Wasserbedarf liegen. Hier hätte man aber vorsorgen können. Die Kritik, zwei Wasserstationen auf 10 km seien zu wenig, teile ich nicht. Es gibt genügend 10-km-Läufe, bei denen überhaupt kein Wasser auf der Strecke angeboten wird. Wer 10 km laufen will, sollte diese bei normalen Wetterverhältnissen theoretisch auch ohne Wasser durchstehen können. Zwei Wasserstationen sind da definitiv genug.

Für kritikwürdig halte ich jedoch den Aufbau der Wasserstationen. Diese sind seit jeher so aufgestellt, dass man eigentlich stehen bleiben muss, um etwas zu erhalten. Dieses Jahr war es eher noch schlimmer, vor allem nach dem Zieleinlauf.
Eine Beschilderung der Stationen fehlte dieses Jahr ganz, was das Risiko von Staus und Zustammenstößen erhöhte. Da gibt es eine Menge Verbesserungsbedarf.

Unrealistisch ist der Ratschlag von Dagens Nyheter, während des Laufs 0,5 bis 1 Liter zu trinken. Wer die 10 km als Spaziergang absolvieren will, schafft das vielleicht. Alle anderen können froh sein, wenn sie vielleicht 200 ml während des Laufs in sich hineinbringen können.

Heute morgen war in der DN auch zu lesen, dass man vielleicht bei der Anmeldung eine Art Erklärung zum eigenen Gesundheitszustand abgeben sollte, so dass die Organisatoren bei Risikogruppen ein ärztliches Attest einholen könnten. Das klingt nichtmal so abwegig, aber es bleibt natürlich fraglich, ob dies etwas bringt. Immerhin waren zwei der drei Toten in den besagten Läufen noch weit unter 40. Mir erschiene sinnvoller, Warnhinweise zu platzieren, dass dies nicht nur ein Spaß ist, sondern durchaus auch bitterer Ernst werden kann. Diese fehlten bislang völlig.

Massive Kommerzialisierung über Jahre hinweg

Die Organisatoren des Midnattsloppet fahren mittlerweile die Ernte dessen ein, für die sie jahrelang gearbeitet haben. Als ich 2005 zum ersten Mal mitlief, war die Veranstaltung noch ein gutes Stück kleiner. Sie war noch nicht ganz das vollkommen durchkommerzialisierte Produkt von heute.

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Seit 2006 erhält man jedes Jahr ein T-Shirt, das verpflichtend zu tragen ist, was für den tollen Effekt eines endlosen Stroms gleich gekleideter Läufer sorgt. Da es Chips am Schuh gibt, braucht man schließlich keine Startnummern mehr. Dass ein kollabierter Läufer dann nicht mehr identifizierbar sein kann, ist vorhersehbar, wird aber wohl als vernachlässigbar erachtet.

Gleichzeitig hat man den Lauf zu einem großen (und vermutlich lukrativen) Geschäft aufgebaut. Seit 2009 druckt man nicht mehr für jede Startgruppe einzelne Shirts, sondern es gibt Aufkleber oder Bänder – wahrscheinlich, um Geld zu sparen. Für die Shirts selbst dürften die Organisatoren ohnehin wenig bezahlen, denn die Sponsoren, darunter auch der Shirtlieferant Nike, erhalten genügend Raum, um sich in Szene zu setzen. Dieses Jahr gab es seitens einen spektakulär beleuchteten Tunnel und schöne Beleuchtung am Wasser. Das Aufwärmprogramm kam von der Fitnessstudiokette SATS, die natürlich auch zu den Sponsoren gehören.

Das Rahmenprogramm hingegen scheint dieses Jahr kleiner geworden zu sein. Jedenfalls waren am Mariatorget keine Kapelle und auch keine tanzenden Kostümwettbewerbsschiedsrichter mehr zu sehen. Auch die Versorgung der Läufer ist zusammengestrichen worden. Dieses Jahr gab es nur noch Wasser und Bananen, sonst nichts. Keiner dieser leidigen Sportdrinks, kein Süßkram oder dergleichen.

Hauptsache die Kasse stimmt

Man zahlt dafür übrigens selbst als Frühanmelder rund 35 €. Spätanmelder dürfen über 45 € auf den Tisch legen.

Es kommt einem so vor, dass es hier in erster Linie um den Profit geht. Dinge, die man an Sponsoren übergeben kann, werden gut gemacht, der Rest hingegen so billig wie möglich.

Das Ganze muss ein gewaltiges Geschäft sein. 2008 startete er erstmals in Göteborg. Dieses Mal wird man dort vermutlich die Teilnehmerzahl von 10.000 überschreiten. Seit 2009 gibt es den Lauf auch im Kopenhagener Vorort Frediksberg. Dieses Jahr startet er erstmals in Helsinki. Mich würde nicht überraschen, wenn es 2011 auch einen in Norwegen geben wird. Damit deckt man effektiv den ganzen skandinavischen Markt ab, ohne dass sich die Läufe durch zu große geographische Nähe gegenseitig das Publikum wegnehmen.

Dass jedes Jahr rund 5.000 Angemeldete erst gar nicht erscheinen, wird natürlich verschwiegen. Es kommt dem Veranstalter sicher nicht ganz ungelegen. Optisch merkt man den Unterschied nicht, aber die Kasse klingelt trotzdem. Es gibt weniger Gedränge, und für die Versorgung muss man weniger Geld ausgeben.

Der Organisator ist mittlerweile die letzten Herbst gegründete Firma „Midnattsloppet Nordic AB“, nicht mehr wie zuvor der Verein Hammarby IF. Auch das dürfte kein Zufall sein.

Damit im Einklang steht auch die Strategie, die verfolgt wurde. Über Jahre hat intensives Marketing dafür gesorgt, dass es an Teilnehmern nicht mangelte. Ab einem gewissen Punkt wird die Veranstaltung zum Selbstläufer und die Teilnehmerzahl explodiert. Dieses Jahre wurde in Stockholm schon zwei Monate im Voraus das Limit von 21.000 Anmeldungen erreichte.

Dass die organisatorische Grenze bei der Wasserversorgung offenkundig schon bei 16.000 Läufern in Kombination mit warmem Wetter erreicht war, stimmt nachdenklich. Nicht nur, dass bei dem Gedränge der sportliche Wert gemindert wird. Es ist auch gefährlich, falls Rettungskräfte kaum noch durchkommen.

Verantwortungsbewusstsein ist gefragt

Das Versprechen eines einzigartigen Erlebnisses in Kombination mit einem Herdentrieb erschließt auch Zielgruppen, die normalerweise nie bei einem 10-km-Lauf an den Start gehen würden. So wird die Anziehungskraft des Laufs irgendwann ein Problem. Wer alle anlockt, läuft Gefahr, dass auch viele starten, die körperlich einem solchen Lauf nicht gewachsen sind. Und manche von ihnen werden vielleicht schwer zu Schaden kommen oder gar sterben.

Dies liegt in deren eigener Verantwortung, und so kann man dem Veranstalter keine Mitschuld an der Tragödie geben. Aber er sollte seinen Kommerzialisierungstrip verlassen und künftig zum Wohle aller wieder mehr einen Lauf für die Läufer machen, nicht für die Sponsoren. Dazu gehört auch, auf die Gefahren dieses Sports hinzuweisen, die Versorgung der Läufer zu verbessern und die Teilnehmerzahl auf ein vernünftiges Maß zurechtzustutzen.

Wer groß sein will, sollte auch großes Verantwortungsbewusstsein zeigen.

Gedanken zum Tage

Da die heutigen Themen kaum unter einen Hut zu kriegen sind, reaktiviere ich diese uralte Rubrik:

  • Heute war, wie im letzten Beitrag vergeblich angekündigt (Import funktionierte nicht), die Prideparade in Stockholm. Fast schon traditionell war ich als Busfahrer unterwegs und hatte so meinen Spaß mit umgelegten Fahrstrecken. Spaß kann man wirklich so sehen, denn es ist nicht nur eine angenehme Abweichung vom Alltäglichen, sondern auch eine schöne Gelegenheit, als Dienstleister zu fungieren – die Passagiere sind dankbar für jede Hilfestellung. Nur einer nicht, der nicht nur reichlich betrunken, sondern der Meinung war, seit 30 Minuten sei kein Bus mehr gekommen (was eigentlich angesichts der Straßenverhältnisse nicht sein kann), und dies auch in entsprechendem Ton von sich gab. Dummerweise gilt da für mich die goldene Regel: wer mir blöd kommt, dem komme ich auch blöd. Ohne Ticket ging nichts.
  • Das andere Extrem zu Pride fand in Duisburg statt. Ich hatte das Beben in Hannelores Kraft Stimme ja erst dem Livestream angekreidet, aber die Presse schreibt einhellig, dass sie wirklich den Tränen sehr nahe war. Wie ich auch gelesen habe in meinen heutigen Pausen, waren die öffentlichen Übertragungen der Trauerfeier nicht gut besucht. Vielleicht ist es bezeichnend, im Stillen und privat über eine Tragödie zu trauern, die so öffentlich war und ist.
  • Wie schon beim Liveblogging-Beitrag angemerkt: wirklich funktioniert hat auch dieses System nicht. Ein literarischer Hochgenuss war es sowieso nicht. Das Spiel war auch nicht direkt schön, weil es oft nicht ganz fair zuging. Jedoch ist das Ergebnis berechtigt. Die Südkoreanerinnen haben durch schwere Abwehrfehler jegliche Chancen auf den Sieg verschenkt. Geradezu kurios war das letzte Tor: ein Schuss von Alexandra Popp prallt an der Latte ab und fliegt nach oben. Der Ball verlässt aber nie den Spielraum, was der im Strafraum stehenden koreanischen Abwehrspielerin nicht klar gewesen zu sein scheint. Sie nimmt den Ball einfach in die Hand, was natürlich vollkommen korrekt als Handspiel gewertet wurde, wie auch die Schiedsrichterin nach Absprache mit der Linienrichter so sah. Popp verwandelte den Elfmeter – eine Demütigung für die Koreanerinnen. So bleibt an diesem Punkt des Turniers festzuhalten, dass die Unterschiede doch noch viel größer sind als erwartet. Einzig die Nordkoreanerinnen schienen unserem Team einigermaßen gewachsen zu sein. Deswegen ist schon mehr oder weniger klar, wer morgen Weltmeister wird. Die Nigerianerinnen, die sich schon gegen die USA erst im Elfmeterschießen durchsetzten, gewannen gegen Kolumbien auch nur durch ein glückliches sehr frühes Tor. Da ich das Spiel nicht live werde sehen können, kommt eine Nachlese später.

Damit genug für heute – mehr morgen.

My wedding day

Ach, was war das rührend gestern. Alle haben sich lieb, und so eine 11-stöckige Torte hat natürlich etwas. Ich konnte nur die Trauung live verfolgen. Danach ging es auf Arbeit.

Ich hatte eigentlich nur zwei Extreme erwartet: entweder würde die Stadt vollkommen leer oder total überfüllt sein. Aus meiner Sicht war es ersteres. Als ich gegen Ende der Kutschenfahrt des Brautpaares durch die Innenstadt auf dem Weg zu meinem Startpunkt war, präsentierte sich die U-Bahn, die für den Tag kostenlos war, um die Massen besser zu bewältigen, als weitgehend leer. Natürlich kann es auch sein, dass die Massen erst später gekommen wären. Aber auch auf meinen anschließenden Fahrten durch die Innenstadt blieb das Gedränge aus. Ein paar Familien mit Kindern, die Flaggen dabei oder eine Krone, war schon alles irgendwie.

Meine erste Linie, die 42, war einfach gekappt worden. Zwei Mädels fragten, ob die Busse heute auch kostenlos seien. Waren sie nicht, aber in dem Fall hätte ich das nicht so eng gesehen. Sie fuhren trotzdem nicht. Einen Fahrgast hatte ich trotzdem noch – er fragte mich, ob ich Däne bin (was ich als Kompliment betrachtete) und sprach über seinen Aufenthalt in Österreich. Er blieb dann aber auch der einzige.

Nachdem ich eine Runde auf einer nicht betroffenen Linie absolviert hatte, waren die Straßensperren weg. Vermutlich hätte man ab diesem Zeitpunkt schon wieder freigeben können. Die Fahrpläne waren aber ganztägig umgestellt worden.

So bestand die Hauptherausforderung in etwas Fahrgastberatung und der manuellen Einstellung der Linienschilder das einzige, denn die Computer hatte man für den einen Tag nicht umgestellt. Spät am abend durfte ich dann noch einige Zeit die Linie 62 mit meinen Diensten beglücken. Die führt fast direkt am Schloss vorbei, so dass man sie großzügig zweigeteilt hatte. Ich hatte den Abschnitt im Stadtteil Östermalm, und zwar schon mitten in der Nacht. Ganze 6 Minuten war der lang, und dementsprechend interessant war es, mitzufahren – das half wirklich nur Leuten, die nicht laufen können, und die waren um die Zeit schon lange zuhause. Trotzdem entschloss sich eine betrunkene Gruppe Jugendliche, 50 Meter mitzufahren. Sollte mir recht sein.

So unspektakulär war dieses pompöse Fest also von der Perspektive, wobei der Abend dann doch noch etwas unerwartet endete. Am Ende südlichen Querspange Södra Länken hatte es einen Unfall gegeben, bei dem sich ein Auto überschlagen hatte. Anscheinend gab es aber keine schwer Verletzten, denn der Sanitäter saß sehr entspannt am Fahrbahnrand. Kein Bedarf für Hilfe also – nur an dem Auto, das mitten auf der Straße lag, musste man vorbei.

Der Preis für die beste Aktion des Tages geht übrigens klar an Steffen und Franzi, die ihre Glückwünsche persönlich mit einem Strauß Blumen beim schwedischen Generalkonsulat in Istanbul überbrachten. Ich bin gespannt auf weitere Details.

Hochzeitsfieber steigt

Zwei Tage vorher kann auch ich, der die Boulevardpresse meidet, mich nicht mehr ganz der sich aufbauenden Welle entziehen. Falls ich Leser hinter dem Mond haben sollte: am Samstag heiratet Ihre Königliche Hoheit Victoria Ingrid Alice Désirée Kronprinzessin von Schweden und Herzogin von Västergötland den weit weniger blaublütigen Herrn Daniel Westling aus dem schönen Städtchen Ockelbo, der nach der Hochzeit Prinz Daniel von Schweden wird, nebenbei auch noch Herzog von Västergötland.

Das ist natürlich eine große Veranstaltung. Die Dimensionen übertreffen alles, was Schweden in jüngerer Geschichte so erlebt hat. Schon vor Wochen nahm das Brautpaar Geschenke entgegen. Es laufen Dokumentationen im Fernsehen und jedes Detail läuft sofort durch alle Medien. Für die Allgemeinheit gibt es schon seit einiger Zeit spezielle Hochzeitsschokolade mit dazu passenden Hochzeitsservietten zu kaufen.

Die Hochzeit selbst läuft dabei eigentlich recht einfach ab: 15:30 Uhr ist die Trauung in der Storkyrkan direkt neben dem Schloss. Danach geht es auf eine Kutschenfahrt durch die Innenstadt. Diese endet irgendwo beim Vasamuseum, wo die beiden in ein Boot steigen werden, das sie dann, von 18 Ruderern angetrieben, zurück zum Schloss bringen wird.

Das drumherum macht es freilich erst so pompös. Damit das Paar es auch schon gemütlich hat, wird die Prinzessin bei Mutti aus deren Einfamilienhaus ausziehen und die beiden werden zusammen ein frisch renoviertes Häuschen bewohnen. Die damit einhergehende Renovierung (insbesondere deren Kosten) samt der damit verbunden erweiterten Absperrung der Umgebung, welche zuvor ein öffentlich zugängliches Parkgelände war, sorgt für etwas Unmut.

Aber auch für das gemeine Volk wird einiges geboten. Seit über einer Woche läuft schon das Festival „Love Stockholm 2010“ mit zahlreichen Konzerten. Letztes Wochenende ließ man es richtig krachen: es gab die Möglichkeit der Drop-In-Hochzeit – wie in Las Vegas, nur ohne Elvis. Gut 350 Paare nahmen teil, was schon beachtlich ist – vielleicht ein Ausdruck davon, welches nüchterne Verhältnis viele Schweden zur Institution Ehe haben.

Mangels Zeit bin ich bislang nur mit dem Fahrrad an dem Festivalgelände vorbeigefahren. Gestern habe ich das nun genutzt, um ein paar Fotos zu machen.

Man sieht klar darauf, dass die Fernsehsender sich schon gut eingerichtet haben für die Hochzeit. Es wird die größte Fernsehübertragung der schwedischen Geschichte werden. Die Sponsoren haben sich auch nicht lumpen lassen und sind zahlreich und mit großen Ständen vertreten.

Das wird letzten Endes wohl auch der Grund sein, wieso ich schwer davon ausgehe, dass die schwedische Monarchie ab der nächsten Woche einen gewaltigen Popuralitätsaufschwung erleben wird. Schweden sind zwar im Allgemeinen nicht so leicht zu beeindrucken, aber so eine Traumhochzeit wird sie wohl auch weich machen. Bessere Umfragewerte kann das Königshaus auch gut gebrauchen. Laute einer aktuellen Umfrage ist weniger als die Hälfte für die Monarchie, und die Unterstützung des Königshauses an sich ist noch schlechter. Das mag an den exorbitanten Kosten dieser Hochzeit liegen, vielleicht auch an den Querelen um Prinzessin Madeleine, die von ihrem Verlobten mutmaßlich betrogen wurde, was ihn prompt zum Ex-Verlobten machte. Madde, wie sie auch gerne genannt wird, ist dieser Tage aus ihrem Kurzzeitexil in den USA zurückgekehrt, weil sie natürlich trotz dieser schwierigen persönlichen Situation bei der Hochzeit zugegen sein wird.

Allgemein ist der Andrang bei der Hochzeit aber nicht so groß wie erwartet (oder befürchtet). Ein Sonderzug aus Malmö wurde eingestellt, da es nicht genügend Interessenten gab – dafür wurde ein Zusatzug aus Göteborg bestellt.

Ich für meinen Teil hatte mich fast schon darauf gefreut, das Spektakel am Fernseher mitverfolgen zu können. Das werde ich nun auch, aber mit Einschränkungen. Ab frühem Abend darf ich nämlich Busfahren, was ein interessantes Erlebnis zu werden verspricht: Linien, die die Sperrzone in der Innenstadt berühren, werden einfach gekappt. Man sieht jetzt schon die Straßensperren, und die Polizei, die hier den bislang größten Einsatz ihrer Geschichte machen wird, hat keine Missverständnisse aufkommen lassen, dass weite Teile der Innenstadt eine No-Go-Area sein werden. So wird eine Linie, die ich fahre, nur 6 Minuten lang sein. Ich bin jedenfalls schon sehr darauf gespannt.

Noch lieber wäre ich freilich einer der Busfahrer gewesen, die die Hochzeitsgäste transportieren dürfen.