In Kürze beginnt ein Lauf, an dem ich nie teilnehmen werde: die Tjejmilen. Das heißt übersetzt ungefähr „Mädelsmeile“, womit auch geklärt sein dürfte, wieso nicht. Es dürfte äußerst, ähm, interessant sein, sich das anzuschauen – es nehmen nämlich stolze 22000 Frauen teil. Passend dazu schickt sich die schwedische Superheldin Carolina Klüft an, den europäischen Rekord im Siebenkampf zu knacken. Bei beiden Veranstaltungen gilt: Lycka till!
Autor: Fabian
Schwedische Televisionen: Freitag, 15:40 Uhr
Gerade war ich vorne in der Küche und habe mir noch schnell was zu Essen gemacht. Währenddessen habe ich kurz Fernsehen geschaut. Ich bin begeistert, mit was das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Zuschauer beglückt:
- auf SVT1, dem ersten Kanal läuft „I Mårtens värld“ (In der Welt von Mårten), ein Künstlerporträt des Malers Mårten Andersson, das aber im Wesentlichen aus mit Musik untermalter Darstellung seiner Bilder besteht.
- auf SVT2, läuft das Testbild – jawohl, das Testbild. Das eigentliche Programm beginnt erst um 16 Uhr
Irgendwie bin ich froh, dass ich noch kein Gebührenzahler hierzulande bin. Die beiden Hauptprogramme sind echt manchmal etwas dürftig ausgestattet.
Toll ist allerdings, dass diese Woche „Brottsplats: Frankfurt“ lief – Brottsplats (gesprochen ungefähr „Brutzplatz“) heißt „Tatort“. Es handelte sich also um einen Frankfurt-Tatort. Ich habe ihn nicht gesehen, aber es ging wohl wie immer um menschliche Abgründe und Schweinereien.
Wohnungskatastrophe reloaded
Wie ich kürzlich in meinem Auswandererguide beschrieben habe, ist der schwedische Mietmarkt alles andere als unkompliziert. Aus meiner Sicht ist er zudem auch wenig effizient organisiert und bräuchte dringend eine grundlegende Reform.
Etwas dieser Art hat auch die bürgerliche Regierung vor. Bei Untervermietungen gibt es bislang enge Grenzen, was erlaubt ist. Diese werden zwar allzugerne überschritten, aber Abzocke ist nur bedingt möglich, weil der Untermieter und Vermieter (also der offizielle Bewohner der Wohnung) als Partners in Crime im gleichen Boot sitzen – der Untermieter kann den Vermieter auch auffliegen lassen, wenn es ihm zu bunt wird, was für letzteren dann mit dem Verlust der Wohnung enden kann. Offiziell darf der Zuschlag also allenfalls 10% bis 15% betragen, der üblicherweise als Mietgebühr für die Möbel erhoben wird.
Nun kommt die Regierung also mit ihrer Schnapsidee der Woche: man will diese Einschränkungen wegnehmen und Steuererleichterungen, um den Zugang zu Wohnungen zu erleichtern. Die von der Regierung beauftraget Christina Jacobsson wird im Oktober dazu Vorschläge machen.
Mir klingt das nach dem endgültigen Super-GAU für den hiesigen Wohnungsmarkt. Denn das Problem ist ja nach wie vor, dass es nicht genügend Mietwohnungen gibt. Es werden auch nicht mehr werden, wenn man die Preispolitik ändert. Stattdessen liefern sich alle qualifizierten Mieter einen Wettlauf, um nicht zu sagen eine Auktion. Die Preise werden also an die Decke gehen, und da die Untervermietung ohnehin oft vertragswidrig ist, wird der Untermieter weiter entrechtet.
Meines Erachtens liegt hier auch der Knackpunkt. Entweder lässt man sich auf einen Knebelvertrag ein oder man hat eben Pech gehabt.
Die Absurdität des Marktes bleibt aber bestehen. Wenn man eine Wohnung kauft und sie dann nicht vermieten darf, ist es kein Wunder, dass dies oft an Hauseigentümer und Steuern vorbei geschieht. Um den Markt zu verbessern, müssten zum Ersten mehr Wohnungen gebaut werden und zum Zweiten Vermietungen erleichtert werden – dann kann man auch die Regelungen zur Miete lockern.
Erfahrungsgemäß setzt die Regierung aber jede ihrer halbgaren Ideen auch sofort um. Hoffnungen, dass dieser Wohnungsmarkt irgendwann mal der einer normalen deutschen Großstadt entspricht, sind also wohl weitgehend vergebens.
Breaking News
Wie mir gerade brandheiß mitgeteilt wurde, gibt es bei der Oberbürgermeisterwahl in Rastatt nach der zunächst erfolglosen Gegenkandidatensuche gleich fünf Konkurrenten für Amtsinhaber OB Klaus-Eckhard Walker: neben den beiden CDU-Kandidaten Christof Nitz (offiziell CDU) und Hans Jürgen Pütsch (auch CDU, aber von einer Bürgerinitiative unterstützt) tritt als unabhängiger Kandidat Wolfgang Weinbrecht, ein örtlicher Unternehmer, an. Unglaublich, aber wahr: kurz vor Bewerbungsschluss gab Klaus Josef Muth, Student und ehemaliger Klassenkandidat von mir, seine Unterstützerunterschriften ab. Da sage ich nur: Klaus for President! Das verspricht, ein sehr spaßiger Wahlkampf zu werden.
Im ARD-Studio Stockholm
Beschaulich im Grünen: das ARD-Studio Stockholm – Studio und Korrespondentenwohnsitz in einem
Busfahrer sind von Natur aus gefragte Medienstars. Dementsprechend wurde ich von Bayern2Radio, dem Kultur- und Informationsprogramm des Bayerischen Rundfunks, zum Interview gebeten. Ich wusste ja immer: irgendwann komme ich mal ganz groß raus.
Naja, ganz so glamorös ist es nicht – über Bekanntschaften innerhalb der großen ARD-Familie wurde mir das Interview angetragen, und für beste Qualität macht man das Interview eben im Studio, wo man dann auch eine Direktverbindung nach München aufbauen kann. Das ARD-Studio Stockholm ist dabei ganz einfach im Haus des Korrespondenten gelegen, welches wiederum schön im Grünen in Djursholm liegt, keine 5 km von mir entfernt. So unterhielt ich mich nett mit dem Korrespondenten und seiner Frau, saß dann 20 Minuten lang mit Headset im Studio und beantwortete ein paar Fragen.
Das Ganze war aber nur voraufgezeichnet: morgen läuft es zwischen 11 und 12 Uhr auf Bayern2Radio.
Langsam
Gestern abend war wieder einmal Midnattsloppet, der äußerst beliebte 10km-Lauf durch Södermalm, Stockholm südlicher Hauptinsel. Die doch schon ziemlich saftigen Anmeldegebühren von knapp 40 € haben 18000 Läufer nicht davon abgehalten, sich anzumelden.
Mich auch nicht.
Weil ich busfahrbedingt noch etwas mit der Anmeldung gewartet habe, bekam ich nur noch einen Platz in der Gruppe 5, die geschwindigkeitsmäßig nicht weit vor Walkern rangiert. Laut Broschüre sollte man 61-70 Minuten brauchen, um hier richtig zu sein. Ich wage zu behaupten, dass dies aber auf viele nicht so ganz zutraf. Bei dem Lauf bewerben sich offenkundig auch viele, die sich es dann doch nicht zutrauen und absagen – anders ist kaum zu erklären, wieso sich rund 18000 Läufer angemeldet haben, in den Ergebnislisten aber nur weniger als 14000 stehen.
Zwar bin ich Gegner von Geschwindigkeitsarroganz, aber wenn sogar ein mäßig trainierter Mensch wie ich nach 30 Minuten praktisch nur noch von Läufern der Gruppe 4 umgeben ist (die schließlich fünf Minuten vorher gestartet waren), spricht das für sich.
Zunächst hatte ich den Eindruck, ich könnte sogar meine Zeit von 2005 unterbieten (54:02), und meine Uhr machte mir sogar etwas Hoffnung. Der erste Dämpfer kam nach 5 Kilometern, wo schon 28 Minuten vergangen waren – da man beim Start ausgebremst wird, konnte man so wenigstens eine Endzeit von 56 Minuten annehmen. Allerdings hatte ich dabei vergessen, dass der zweite Teil erheblich steilere Abschnitte hat. So sank mein Geschwindigkeitsschnitt wohl nicht zuletzt deswegen ab. Am Ende waren es 59:22 Minuten – meine schlechtesten 10 km bislang.
Dennoch ist der Lauf ein Erlebnis, und ich kann als positiven Aspekt auch mitnehmen, dass der zunächst skeptische Andreas nicht nur überragende 49:02 Minuten gelaufen ist, sondern auch hellauf begeistert war.
Es spornt mich auch an, besser zu werden, denn dieser Tage habe ich mich für einen Halbmarathon beim Åland-Marathon angemeldet, der Ende Oktober stattfindet. Arne und Andreas sind mit von der Partie. Der ganze Spaß ist nicht übermä0ßig teuer: rund 70 € für Fährüberfahrt mit Auto inklusive Startgebühr, Hotelübernachtung und Pastadinner.
Der Halbmarathon ist natürlich nicht nur härter, sondern findet auf für mich unbekanntem Terrain statt. Die Strecke auf Åland wirkt zumindest auf der Karte recht uninteressant, da man einfach nach 10 km umkehrt und zurückläuft. Außerdem ist die Konkurrenz dünn: im letzten Jahr liefen gerade einmal 257 Leute den Marathon und 200 den Halbmarathon. Da kann es ein bisschen einsam werden unterwegs, auch weil man auf großartige Zuschauerunterstützung kaum hoffen kann. In diesem Jahr ist auch nicht mehr Besucherandrang zu erwarten, denn es handelt sich um die 26. Ausgabe des Laufs, so dass man die geringen Teilnehmerzahlen nicht auf eine organisatorische Anlaufzeit schieben kann. Allerdings muss angemerket werden, dass sich die Läuferzahlen seit 2003 mehr als verdoppelt haben.
Ein weiterer Höhepunkt könnte der Hässelbyloppet Mitte Oktober sein – den bin ich ja schon 2005 recht erfolgreich gelaufen.
Unfall gebaut
Der heutige Tag – mein erster ohne Begleitung im Linienverkehr – beginnt exzellent. Ich fahre schlecht und nach knapp zwei Stunden reiße ich den Kühler des Busses auf, so dass ich gleich mal bei der Zentrale anrufen darf. Schöne scheiße.
Daraufhin kommt ein Ersatzbusfahrer, der mir einen neuen Bus bringt und den alten mitnimmt. Interessanterweise fährt er ohne Begutachtung des Schadens weiter – ich frage mich, wie weit er gekommen ist.
Mehr Infos und zwei Videos zum Tage gibt es hier.
Erster Tag im Linienverkehr
Ich hatte heute meinen ersten Tag im Linienverkehr. Daher wird der Auswandererguide in den nächsten Tagen etwas langsamer erscheinen, da ich die verbleibenden Teile erst einmal noch vorbereiten muss.
Auswandererguide Teil VIII – Die Bürokratie: Personnummer oder die Eleganz, keinen Datenschutz zu haben und es trotzdem irgendwie gut zu finden
Der Mitbewohner meiner Freundin hat ein Buch auf dem Schrank stehen, das den Titel „Gesetze“ trägt. Offenkundig enthält es alle schwedischen Gesetze. Es ist ungefähr 1200 Seiten stark.
Würde man in Deutschland ein solches Buch herausbringen wollen, müsste man dies in mehreren Bänden tun, die vermutlich das ganze Zimmer komplett ausfüllen würden, und zwar vom Boden bis zur Decke.
Die Botschaft des Ganzen ist vereinfacht gesagt: während man in Deutschland gerne alles haarklein regelt, mag man es in Schweden eher simpel. Soweit ich informiert bin, liegt das auch am Grundaufbau des Staates. Die einzelnen staatlichen Institutionen sind nämlich nicht an die Regierung gebunden. Das heißt konkret, dass beispielsweise die Straßenverkehrsbehörde Vägverket im Rahmen der Gesetze freie Entscheidungen trifft und der Verkehrsminister hier nicht direkt eingreifen kann – viel wird also von den Behörden selbst geregelt. In Deutschland gibt es hingegen Bundes- und Landesbehörden, die jeweils wiederum ihrem Minister unterstehen usw. und somit viel umfangreicher und komplexer gesteuert werden müssen.
Das weist auch noch auf einen weiteren fundamentalen Unterschied hin: Schweden ist im Wesentlichen ein zentralistischer Staat. Auch wenn es einzelne föderale Elemente gibt, so werden doch die wichtigen Entscheidungen nur einer Stelle getroffen, nämlich im Reichstag in Stockholm.
Zwar bin ich überzeugter Föderalist, aber das Kompetenzengewirr in Deutschland kann mit dieser klaren Struktur natürlich nicht mithalten.
So ist es auch kein Wunder, dass man bei jeder deutschen Behörde irgendwelche umfangreichen Formulare ausfüllen muss. Die Daten sind nur teilweise miteinander vernetzt, so dass jede Behörde für sich selbst die Informationen abfragen muss.
Als alter Datenbanker weiß ich, dass es am elegantesten ist, für jeden zu speichernden Datensatz eine eindeutige Bezeichnung zu haben. Aus dieser Logik heraus ist es natürlich am praktischsten für die Bürokratie, dass jeder Einwohner eine eindeutige Nummer hat. Auf diese Weise kann jeder Pass, jede Steuererklärung und jede Autoanmeldung eindeutig zugeordnet werden – schnell und effizient.
Die Personnummer
Genau dies hat man in Schweden schon vor genau 60 Jahren erkannt. 1947 wurde die sogenannte Personnummer eingeführt. Jeder Schwede hat eine und behält sie sein Leben lang. Dieses System ist nicht nur auf die Schweden beschränkt. Jeder ständige Einwohner dieses Landes erhält eine Personnummer.
Sie wird in zahlreichen Anwendungen genutzt:
- Als zentrales Adressregister. Zieht man um, muss man der Bank und vielen anderen wichtigen Stellen die Adressänderung nicht mitteilen, weil diese das über das Register erfahren.
- Das ganze Steuersystem und auch alle möglichen anderen amtlichen Dinge wie beispielsweise der Führerschein sind mit ihr organisiert.
- Beim Gang zum Arzt sind nach Angabe der Personnummer Adress- und Patientendaten bekannt. Da auch die Krankenversicherung als zentrales Register die Personnummer verwendet, ist auch die Bezahlung erledigt.
- Die Eröffnung eines Bankkontos ohne den Besitz einer Personnummer ist nur in besonderen Ausnahmefällen möglich – so erhalten Austauschstudenten oft nur unter Sonderkonditionen ihr Konto.
- Die Mitgliedschaft in der Kirche. Dies ist zwar als Einwanderer zunächst kein Thema, aber die Organisation ist ähnlich wie in Deutschland, so dass man automatisch Mitglied in der lokalen Gemeinde wird. Der Unterschied ist nur, dass es nur eine Kirche (die evangelische) gibt und Katholiken eine kleine Minderheit sind. Für Deutsche, die nach Stockholm oder Göteborg ziehen, ist zudem interessant, dass es dort deutsche Gemeinden gibt. Wenn man in deren Einzugsgebiet wohnt, wird man per Post gefragt, ob man Gemeindemitglied werden möchte.
- Der Zugang zum Bankkonto. Die Nordea verwendet die Personnummer ohnehin gleich als Kontonummer, aber auch bei der SEB dient die Personnummer als Benutzername beim Login ins Online-Banking.
- Gelegentlich muss man sie auch bei Kartenzahlung angeben.
Für vorübergehende Arbeit hier in Schweden gibt es auch noch temporäre Personnummern, um die Steuern abrechnen zu könen. Bei diesen ist der Geburtstag um 60 erhöht. Ist man also am 26. Oktober 1973 geboren, hat man dann eine Personnummer 731086-XXXX statt des üblichen 731026-XXXX. Bei der Anwendung dieser Nummer bei weniger offiziellen Zusammenhängen wie der Eröffnung eines Bankkontos kann es natürlich irritierte Blicke geben. Manche Software ist zu dem so eingerichtet, dass die ersten sechs Ziffern ein gültiges Geburtsdatum darstellen müssen, was hier natürlich nicht der Fall ist.
Das Format der Personnummer hat man mehrfach geändert. Die letzte Version ist genau 40 Jahre alt und folgt folgendem Muster:
JJMMTT-AAAB
Gelegentlich gibt es eine erweiterte Version:
JJJJMMTT-AAAB
Die Buchstaben bedeuten im einzelnen:
- J: Das Geburtsjahr (normalerweise die letzten beiden Stellen, in der erweiterten Fassung auch mit dem Jahrhundert versehen)
- M: Der Monat, in dem man geboren wurde, ggf. mit führender Null (d.h. im September Geborene haben 09)
- T: Der Tag, an dem man geboren wurde, ggf. mit führender Null
- A: eine dreistellige Zahl zufällige Zahl, die den Einwohner in Verbindung mit dem Geburtsdatum eindeutig identifiziert. Es werden ja üblicherweise mehrere Leute an einem Tag geboren, so dass eine solche Zahl zusätzlich vergeben werden muss. Bis 1990 wurde diese Zahl nach dem Län (sozusagen das Bundesland) vergeben, in dem man geboren wurde, wobei ein Nummerblock für im Ausland geborene reserviert wurde. Seither gilt dies nicht mehr – meine Personnumemer stammt auch nicht mehr aus dem Nummernblock für Ausländer.
- B: eine Kontrollziffer. Ihr Wert aus den ganzen Zahlen davor errechnet. Sie kann dann wie bei Kreditkartennummern dazu verwendet werden, um festzustellen, ob der Betreffende eine frei erfundene Zahl angegeben hat oder eine, die zumindest existieren könnte. Ob sie auch wirklich existiert, kann man alleine mit Hilfe der Nummer nicht feststellen.
Wie ich kürzlich erfahren musste, haben sich über die Frage, ob und wie man eine Personnummer erhält, falsche Informationen breit gemacht.
Hier daher die Fakten:
- Eine Personnummer erhält jeder, der über ein Jahr lang in Schweden bleibt.
- Dabei ist es eigentlich egal, was man hier macht, solange dies zu einem Aufenthalt über 3 Monaten berechtigt (siehe vorangegangener Teil). Man muss also die Bescheinigung des Aufenthaltsrechts vorlegen können. Wenn man also in Schweden arbeiten möchte, sollte man sich daher schon lange vor der Einreise online um das Aufenthaltsrecht bemühen, damit die Zuteilung nach Ankunft schnell erfolgen kann.
- Weiterhin sollte man halbwegs glaubwürdig belegen, dass man in Schweden auch etwas zu tun hat, was länger als 12 Monate dauern wird. Das haben auch schon Leute geschafft, die es eigentlich nicht wirklich belegen konnten – ich kenne zumindest einen.
- Die Beantragung kann also zu Beginn des Aufenthalts erfolgen. Man braucht nicht erst 12 Monate zu warten.
Zur Beantragung sollte man persönlich zur nächsten Skatteverket-Filiale gehen. Neben dem Bescheid des Migrationsverket sollte man eine Bescheinigung über die eigene Tätigkeit hier sowie einen Pass mitbringen.
Für die Stockholmer ist das in der Regel die Hauptstelle in der Magnus Ladulåsgatan auf Södermalm – leider ist keine U-Bahn-Station in direkter Nähe.
Das Öffentlichkeitsprinzip
Die Geschichte der Personnummer wäre aber nur halb erzählt, wenn man nicht auf das Öffentlichkeitsprinzip (Offentlighetsprincipen) hinwiese.
Dieses Prinzip ist in einer unscheinbaren Vorschrift in der Verordnung zur Pressefreiheit enthalten. Es legt im Grunde fest, dass alle amtlichen Dokumente öffentlich sind. Dies soll dafür sorgen, dass man als einfacher Bürger sämtliche Vorgänge im Staat nachvollziehen kann, so dass Machtmissbrauch nicht so leicht hinter dem Rücken des Wählers stattfindet.
Es gibt natürlich ein paar Ausnahmen, aber nur wenige, was teilweise seltsame Nebeneffekte erzeugt. So musste beispielsweise das Nobelkomitee für den Medizin-Nobelpreis in eine eigene Organisation ausgelagert werden, damit die beim Nobelpreis geltende Pflicht zur Geheimhaltung aller Informationen über Nominierung und Auswahl der Preisträger in einem Zeitraum von 50 Jahren nach Preisverleihung eingehalten werden kann. Andernfalls wäre das Komitee ein Teil der Universität und müsste dies alles offenlegen.
Diese kleine Anekdote zeigt aber nicht die wirkliche Tragweite des Prinzips auf.
Es bedeutet beispielsweise, dass das Adressregister nicht nur sehr praktisch ist, sondern auch komplett öffentlich. Schwierigkeiten, einen ehemaligen Klassenkameraden nicht mehr aufzufinden, sind so undenkbar. So kann ich zum Beispiel leicht herausfinden, wieviele Leute noch außer mir den Nachnamen Seitz haben. Es sind 62 in ganz Schweden. Auch Deutschlands häufigster Nachname Müller ist in Schweden anzutreffen, und zwar genau 1313 mal. Die älteste Trägerin dieses Namens ist Katrin Annemarie Müller, die 1911 geboren wurde und in Vällingby lebt.
Dies illustriert, dass es einen Rückzug in die Anonymität in Schweden nicht gibt. Jeder kann nach Belieben herausfinden, wo man wohnt und wann man Geburtstag hat. Das Marketing ist in Schweden zwar nicht so penetrant wie in Deutschland, aber schon jetzt wird man mit Werbung bombardiert, wenn man von einer anderen Kommune nach Stockholm zieht. Dass man Werbung einfach so bekommt, ist normal – und man kann sich nicht beschweren, dass man seine Adresse nie für diese Zwecke freigegeben habe. Schließlich sind ja alle Adressen freigegeben!
Das Öffentlichkeitsprinzip geht aber noch viel weiter. So sind die Einkommen aller Schweden öffentlich. Man kann also einsehen, wer wieviel verdient. Die Politikergehälter machen regelmäßig Schlagzeilen, aber eben auch die Einkünfte seines Nachbarn kann man überprüfen.
Endgültig ins Informationszeitalter wurde das Öffentlichkeitsprinzip durch die Seite Ratsit.se getragen. Mit Hilfe dieser Seite kann man ohne Probleme Geburtsdaten, Namen und Adressen von jedem Einwohner recherchieren. Das Echo bei der Eröffnung der Seite war groß, und erstmals merkten wohl auch viele Schweden, dass die Freiheit auch ihre Schattenseiten haben kann. Die Webseite erlaubte allen Nutzern eine wöchentlich begrenzte Anzahl von Anfragen über Personen. So konnte auch man herausfinden, wieviel die betreffende Person verdiente.
Die Daten stammten von Organisationen, die die Kreditwürdigkeit überprüfen – was auch der eigentliche Zweck von Ratsit sein sollte. Diese hatten sie wiederum direkt von der Steuerbehörde.
Nach einigen Monaten war allerdings Schluss mit der großen Freiheit. Die Steuerbehörde verkündete, dass man die Zusammenarbeit mit solchen Organisationen nicht fortführen werde, wenn diese nicht garantieren könnte, dass die von der Datenabfrage betroffene Person über den Vorgang informiert werde. Daten über das Einkommen kann man aber weiterhin durch einen Anruf bei der Steuerbehörde erhalten. Das Öffentlichkeitsprinzip wurde also nicht in Frage gestellt, nur die Abfragemethode. Mittlerweile ist nur noch die Abfrage von grundlegenden Personendaten möglich. Die weitergehende Untersuchung des Einkommens und der Kreditwürdigkeit kostet Geld und führt zur Benachrichtigung des Abgefragten.
Ein weiteres Beispiel, das mich vor kurzem auch wieder ins Erstaunen fallen ließ, war ein SMS-Dienst der Straßenverkehrsbehörde Vägverket. Diese hat die Nummer 71456 eingerichtet – schickt man an diese per SMS eine beliebige Autonummer, erhält man umgehend Informationen zu Fahrzeugtyp, Farbe, Alter, Steuer und dem Fahrzeughalter. Kombiniert mit Ratsit und anderen Suchdiensten kann man so innerhalb von wenigen Minuten eine bemerkenswerte Menge an Daten zusammensuchen, nachdem man ein x-beliebiges Auto auf der Straße gesehen hat. Ähnliches erlebte ich neulich bei einem Autoteilehändler. Dort fragte man mich einfach nach der Autonummer – über diese kann man den Typ dann genau feststellen.
Schweden ist also der reine Albtraum für Datenschützer.
Man muss den Schweden zu Gute halten, dass es wenige Tricksereien gibt. Telefonterror von zwielichtigen Callcentern usw. gehört nicht zur Tagesordnung.
Dennoch sollte sich jeder, der in das Land einwandert, bewusst sein, dass bestimmte Informationsgeheimnisse, die man in Deutschland blind voraussetzt, in Schweden einfach nicht existent sind.
Zusammengefasst
- Eine Personnummer ist für einen ständigen Bewohner Schwedens unabdingbar. Ohne sie geht nichts, mit ihr geht vieles.
- Eine Personnummer kann jeder erhalten, der länger als ein Jahr lang hier ist.
- Zum Erwerb einer Personnummer braucht man eine Aufenthaltsgenehmigung.
- Man sollte sich bewusst sein, dass man mit der Aktenkundigkeit der eigenen Daten in Schweden einige Informationsgrundrechte aufgibt, die einem in Deutschland gewährt werden.
Zum Abschluss eine kleine Anmerkung: auch in Deutschland wird es künftig eine zentrale Nummer geben, auch wenn diese wohl nie eine derart zentrale Rolle spielen wird wie die Personnummer in Schweden. Datenschützer äußern sich – nicht völlig unbegründet – kritisch über dieses System. Aus meiner Sicht wäre ein Zentralregister auch gut, solange jeder Datenzugriff mitgespeichert wird und von der betroffenen Person eingesehen werden kann. Außerdem sollte bei der Einführung eines solchen Systems auch ein Nutzen für den Bürger herausspringen. Wenn er sich beispielsweise das Ausfüllen seitenlanger Formular erspart, hätte er auch etwas davon und die ganze Geschichte ist nicht nur eine reine EDV-Aktion.
Auswandererguide Teil VI – Der Wohnungssuche fünfter Teil: das eigene Haus und was es sonst noch so gibt
Zum Thema Wohnungssuche habe ich mittlerweile das englischsprachige Stockholm Accommodation Wiki gestartet. Dieses soll Informationen besser sammeln und strukturieren, als es der Auswandererguide kann. Die Adresse: http://stockholmaccommodation.wikia.com
Wer sich bis hierhin durchgekämpft hat, hat einen ersten Rundflug durch den schwedischen Wohnungsmarkt überlebt – zumindest so, wie er sich nach meinen bisherigen Erkenntnissen darstellt.
Jenseits dieser Ausführungen gibt es dennoch noch einiges, was bislang nicht näheres ausgeführt wurde.
Eigenheim
Bei den ganzen Details über den großstädtischen Wohnungsmarkt ging natürlich vollkommen unter, dass Skandinavien im Allgemeinen geprägt ist von viel Natur auf wenig Menschen und damit auch ausreichend Platz für ein schmuckes Häuschen. Man spricht von „fastigheter“ – dieser Begriff beschreibt nicht das Haus selbst, sondern das Eigentum eines Grundstücks, auf das man dann eben auch ein Haus stellen kann. Auch die Großstädte sind hiervon nicht ausgewohnen. Wenn man von den Trabantenstädten mit ihren Mietskasernen und den dicht gepackten Innenstädten absieht, gibt es überall Wohngebiete mit Eigenheimen. Ein gravierender Unterschied zu Deutschland ist dabei allerdings, dass es das klassische Zweifamilienhaus, bei dem der Besitzer eine Wohnung bewohnt und die andere vermietet, hierzulande meines Wissens nicht gibt. Einfamilienhäuser sind der Standard. Reihenhäuser gibt es jedoch auch, haben aber anscheinend auch eine monatliche Abgabe wie schon von den Bostadsrättern bekannt.
Qualifizierte Aussagen über Kosten kann ich nicht machen, doch muss ich anmerken, dass es in den einschlägigen Vermittlungen durchaus Häuser gibt, deren Grundpreis nicht teurer ist als eine Wohnung. Natürlich liegt das Haus viel weiter draußen auf dem Lande, aber dafür ist es meist auch um ein Vielfaches größer. Allerdings habe ich auch Häuser gefunden, die eine Wohnfläche von sage und schreibe 20 m² hatten.
Wenn man also ein Bostadsrätt auslösen kann und noch etwas Geld auf die Seite gelegt hat, steht einem eigenen Haus nichts mehr im Wege. Laut dem Kreditrechner von SEB zahlt man für ein neues Haus im Wert von 2 Mio. Kronen an Tilgung und Zins im Monat gerade einmal 8000 kr. Dies klingt für eine einigermaßen gut verdienende Familie durchaus machbar.
Für Leute unter 30 ist dies natürlich verständlicherweise keine Option.
Freizeithaus
Der Klischeeschwede bei Inga Lindström hat natürlich auch ein Freizeithaus (Fritidshus), meist in bester Lage draußen auf den Schäreninseln.
In der Tat haben viele Schweden ein kleines Ferienhaus, wenn auch in weniger privilegierter Lage. Die Finanzierung läuft hier natürlich genauso wie bei einem normalen Haus.
Für verzweifelte Neuankömmlinge in Schweden können Ferienhäuser durchaus eine Option sein. Wenn man in der Nebensaison ankommt, kann man ein solches nämlich durchaus zu akzeptablen Preisen vorübergehend mieten, um dann von dort aus die weitere Wohnungssuche zu koordinieren. Allerdings muss man in Kauf nehmen, dass es meistens ziemlich ab vom Schuss liegt.
Bostadsbyte (Wohnungstausch)
Diesem Phänomen kann ich nur das Attribut „bizarr“ geben. Es handelt sich dabei um einen weiteren, ganz eigenen Markt. Wenn ein Mieter A beispielsweise eine Wohnung in interessanter Lage hat, die aber für das kommende Kind zu klein wird, kann man diese Wohnung zum Tausch gegen eine anbieten, die der veränderten Prioritätensetzung gerecht wird. Hat nun ein Mieter B eine solche Wohnung und würde scheidungsbedingt aber gerne in die Wohnung des Mieters A ziehen, so kann man die Wohnungen tauschen. Praktiziert wird dies vor allem auch von Leuten, die einen Umzug in Schweden planen. Hat man beispielsweise eine Wohnung in Malmö und will nach Göteborg ziehen, kann man seine in Malmö eben für eine ähnlich interessante in Göteborg eintauschen. Anscheinend geschieht das dann auch mit dem Segen der Wohnungsgesellschaften. Das macht insofern Sinn, als dass der Gesamtwohnungsbestand ja der gleiche bleibt. Ansonsten ist das Ganze natürlich an Absurdität kaum zu überbieten. Für Einwanderer ist es ohnehin keine Option, denn man muss erstmal eine Wohnung haben, um sie tauschen zu können.
Inneboende
In der vorigen Folge wurde eine Wohnform kurz erwähnt, die einer WG am nähesten kommt. Da in Schweden echte WGs mit entsprechenden Mietverträgen nicht existieren, sieht diese Lösung so aus, dass ein Inhaber einer ausreichend großen Wohnung die überschüssigen Zimmer anderen Leuten zur Verfügung stellt und die Mietkosten dann teilt. Dies ist meiner Einschätzung auch einigermaßen legal – Details bestimmt natürlich der Mietvertrag. Da der Mieter aber selbst in der Wohnung lebt, kann die Wohnungsgesellschaft wohl wenig dagegen tun.
Nichtsdestotrotz liegt die Versuchung für den Mieter nahe, seinen Untermietern den ganzen Mietpreis aufzubrummen. Da Zimmerpreise unter 2500 kr praktisch nicht existieren, ist mit zwei Untermietern zu diesem Preis die Miete einer Drei-Zimmer-Wohnung schon gedeckt. In dem Fall haben beide Seiten irgendwo auch ein gutes Geschäft gemacht, auch wenn es natürlich eine unfaire Sache bleibt.
Zusammenfassung
Damit ist das Thema des Wohnens im Wesentlichen behandelt. Den Weg zur Heimstatt mit einer Erfolgsgarantie konnte ich natürlich nicht zeigen. Dafür ist das Wohnungsproblem vielerorts zu massiv.
Dennoch dürfte als allgemeine Strategie klar sein, jede praktikable Option zur verfolgen, um die Fühler so weit wie möglich auszustrecken. Die erste Anlaufstelle für die allermeisten dürfte freilich Andra Hand sein – vom Bostadssnabben abgesehen gibt es keine andere Option, die eine Unterkunft zur Miete direkt verfügbar macht. Bostadsrätter sind vor allem für diejenigen eine Option, die schon eine Weile hier wohnen und ein gesichertes Einkommen haben. Ist man zu zweit, und plant seine weitere Zukunft in Schweden, sind Bostadsrätter und Eigenheime eine interessante Option, weil man damit an eine dauerhaft gesicherte Wohnung kommt. Studenten sollten neben Andra Hand vor allem die exklusiv für sie eingerichteten Zimmer- und Wohnungsvermittlungen beachten.
In der nächsten Folge geht es dann um Probleme anderer Art: die Bürokratie und wie man sie handhabt.