Wahl-O-Mat ist da: warum ich (vielleicht) nicht SPD wählen werde

Ich habe ihn lange erwartet: der Wahl-O-Mat ist mittlerweile online.

Warum ich ihn erwarte: weil ich mir überlege, zum ersten Mal meiner Partei untreu zu werden. Der Titel dieses Posts ist also durchaus ernst gemeint.

Und ich werde darin auch bestärkt:
versuch1a

Was mich bedrückt, ist, dass unter den kleinen Parteien eine bei mir gleichauf mit der SPD liegt:
versuch1b

Die Piraten, das kann ich gleich sagen, werde ich nicht wählen.

Ich habe den Test wiederholt, aber dieses Mal auf die Verwendung der Möglichkeit „neutral“ verzichtet, um mich eindeutiger festzulegen. Das Ergebnis ist nicht unbedingt erbaulicher:
versuch2

Die Linke, auch soviel sei schon gesagt, werde ich ebenfalls nicht wählen.

Eine hoffentlich geschliffene Analyse meiner Gedanken zu dieser Wahl werde ich in der nächsten Zeit nachlegen.

Langsam wird es für mich auch ernst: Auch lange erwartet habe ich nämlich meine Briefwahlunterlagen. Diese sind heute angekommen.

Ich möchte es kurz auf die folgenden Punkte bringen:

  • Die Piraten werde ich nicht wählen, weil ich einer Partei, die eigentlich nur ein Thema hat, nicht meine Stimme gebe. Es wird die meisten Piraten überraschen, aber es gibt in der Tat noch andere wichtige Themen außer Datenschutz und Informationsfreiheit.
  • Die Linke werde ich nicht wählen, weil ich in bestimmten Grundpositionen, z.B. Afghanistankrieg, mit dieser Partei überhaupt nicht d’accord bin. Abgesehen davon finde ich das Führungspersonal wenig, ähm, überzeugend. Diese Partei werde ich aber noch einer näheren Analyse unterziehen.
  • Die CDU werde ich schon alleine deswegen nicht wählen, weil schicke Führungsfiguren vor einer Partei mit einem vollkommen anderen Programm nicht so recht zusammenpassen. Auch was Themen wie Atomkraft, Wehrpflicht, Familien- und Informationspolitik angeht, sehe ich wenig Übereinstimmung.
  • Die FDP ist alleine deswegen unwählbar, weil damit ausgerechnet die Krisengewinner wären, die vorher am lautesten für den freien Markt getrommelt haben. Außerdem hat das Programm der FDP nur zwei Worte: Steuern senken.
  • Die SPD war, ist und wird auch in Zukunft meine Partei sein, aber ich tue mir sehr schwer mit ihr. Vollkommen verbraucht nach 11 Jahren Regierung, ziel- und ideenlos, hat sie ein Programm vorgelegt, das als plakative Aufmacher Schnapsideen (300 € Nichtsteuererklärungsprämie) und utopische Wirtschaftsideen (Vollbeschäftigung) enthält, die von einer erbärmlichen schwachen Führungstruppe präsentiert werden. Kein Mensch glaubt, dass FW Bundeskanzler werden wird – nichtmal er selber. Weitere vier Jahre große Koalition wären eine Katastrophe für diese einst stolzen Partei. Daher frage ich mich, ob ich ihr keinen Gefallen damit tue, sie in die Opposition zu schicken.
  • Bleiben Die Grünen, die programmatisch nahe der SPD liegen, soweit ich das gesehen habe, aber auf 300€-Schwachsinn verzichten. Sie wären für mich wählbar, und damit die naheliegendste Alternative zur SPD.

Noch ist meine Entscheidung aber nicht gefallen. Daher mehr in Kürze…

Vorbeifahren

Vor einiger Zeit gab es eine Werbekampagne hier in Stockholm. Dort war auf schwarzem Grund groß zu lesen:

Es gibt nur zwei europäische Länder, deren Hauptstadt keine Umgehungsstraße hat.

Und darunter klein:

Albanien ist das eine.

Womit sich jeder denken, welches das andere ist: Schweden.

In der Tat gibt es derzeit genau drei Möglichkeiten, die Region Stockholm zu umfahren – und von denen sind zwei so abwegig, dass sie nie jemand dafür benutzen würde.
De facto gibt es also nur einen Weg, nämlich den Essingeleden, eine Autobahn über Kungsholmen, auf der trotz vierspurigen Ausbaus jeden Morgen Stau ist.

Die Schaffung einer Alternative tut also not. Diese soll die „Förbifart Stockholm“ werden, also die Vorbeifahrt an Stockholm. Eine Autobahn, größtenteils unterirdisch verlegt wird – 17 der 21 km werden Tunnel sein – soll einen Bogen im Westen über die Inseln der Gemeinde Ekerö schlagen und dann im Nordwesten die Anbindung an die großen Straßen E4 und E18 schaffen. Bis 2020 „kann“ der Bau fertig sein, was soviel heißt, dass er bis dahin nicht fertig sein wird.

Kritik wird laut von einigen Seiten. Man fürchtet um den Umwelt- und vor allem den Klimaschutz. Auch die Bewohner der Insel Lovö, unter der ein Teil des Tunnels verlaufen und die auch eine Autobahnabfahrt bekommen soll, sind nicht begeistert.

Die Argumente dieser Gegner sind mir doch einigermaßen schleierhaft. Ein Tunnel schadet ja wohl kaum der Natur. Wenig stichhaltig erscheint mir das Argument, der CO2-Ausstoß werde dadurch erhöht, denn dies beruht auf der Annahme, der Verkehr werde weniger wachsen, wenn man einfach keine Straßen für ihn baut. Diejenigen, die so argumentieren, verweisen auch auf die Stadtmaut, die man dafür benutzen könne, den Verkehr fernzuhalten.

Dabei hat gerade die Trängselskatt gezeigt, dass eine solche Maßnahme bestenfalls lenken kann – fernhalten kann es den Verkehr aber nicht wirklich. Die Straßen Stockholms sind mittlerweile genauso verstopft wie vor Einführung der Maut. Man hat sie seit 2007 nicht mehr angehoben, was einen starken Gewöhnungseffekt erzeugt.

Der Bau der Förbifart ist mehr als überfällig und ich kann sie eigentlich nur unterstützen. Außerdem erscheinen mir Klagen aus Ekerö übertreiben, weil Ekerö eine der Kommunen ist, die die schlechteste Verkehrsanbindung haben – die meisten werden wohl froh darum sein, wenn sie keine Fähre mehr nehmen oder den endlosen Umweg über Bromma fahren müssen.

Der Ablauf der Planung scheint mir aber symptomatisch zu sein für Verkehrsplanung im Raum Stockholm.

Slussen baut man erst um, nachdem es zu einem heruntergekommenen und nach Urin stinkenden Schandfleck geworden ist. Die Citybanan, ein S-Bahn-Tunnel unter Stockholm zur Entlastung des südwärts gerichteten Schienennetzes, wird in Angriff angenommen, nachdem die S-Bahn Pendeltåg schon seit vielen Jahren ein Synonym für Unzuverlässigkeit und Störungsanfälligkeit ist. Die am schnellsten wachsenden Kommunen sind nur durch Busse angebunden und haben nichtmal in Aussicht, Schienenverkehr zu erhalten. Zu der Insel, auf der ich wohne, gibt es nur eine altersschwache und überlastete Brücke, aber eine neue Brücke soll es erst in 15 Jahren geben – von einer Anbindung an den Schienenverkehr wird erst gar nicht gesprochen, obwohl jetzt schon die Busse in kurzen Takten fahren und trotzdem voll sind.

Wenn man von dem zukunftsweisenden Projekt der Tvärbanan absieht, baut man immer erst dann, wenn die Situation eine Zumutung geworden ist. Man repariert einen Schaden erst, wenn er eingetreten ist, aber versucht nicht, ihn vorsorglich zu verhindern.

Insofern kann ich der Förbifart eigentlich nur einen Kritikpunkt entgegen bringen, nämlich den, warum das Projekt nicht gleich durch eine Erweiterung des Nahverkehrs ergänzt hat. Eine direkte S-Bahn von Södertälje nach Akalla und Hjulsta wäre der Region sehr zuträglich.