Die Schweinegrippenimpfung – von Verschwörern, Halbwahrheiten, der unfähigen Politik und der bösen Pharmaindustrie

Neulich habe ich gelesen: eine halbe Wahrheit ist schon fast eine ganze Lüge.

Daran fühlte ich mich stark erinnert, als ich mich in den letzten Tagen mit der Schweinegrippe und der dazugehörigen Impfung auseinandergesetzt habe.
Es ist erschreckend, wie bereitwillig Fakten verzerrt und offenkundig zweifelhaftes zur reinen Lehre erklärt wird, wenn es darum geht, die große Geschichte von der bösen Pharmaindustrie zu erzählen, die einem so gut gefällt. Denn sie ist so einfach und naheliegend, dass Details nur noch stören.

Die Vorwürfe sind ein bunter Strauß von kruden Halbwahrheiten, von denen bei genauerer Betrachtung nicht mehr wahnsinnig viel übrig bleibt:

  • Mit Begeisterung wird über den vermeintlich so gefährlichen Stoff Thiomersal geschrieben. Zur Erinnerung: es handelt sich dabei um einen Wirkverstärker, um mit weniger Serum auszukommen. Gar wunderliche Dinge werden über ihn berichtet.
    • Er soll Quecksilber enthalten, erschreckenderweise angeblich der giftigste nichtradioaktive Stoff. Das stimmt sogar. Nur sollte man vielleicht nicht vergessen, dass auch Zyankali gut bekömmlich ist, wenn man es nur in entsprechend niedrigen Mengen zu sich nimmt. So enthält eine Dose Pandemrix weit weniger Quecksilber als man jede Woche durch Nahrung zu sich nimmt. In dem verlinkten Artikel ist von maximal 12,4 Mikrogramm in einer Dose die Rede, was aber nicht alles von Thiomersal stammen kann, denn davon sind in einer Dose gerade einmal 5 Mikrogramm enthalten.
    • Ebenso wird behauptet, Thiomersal wäre seit 2005 in den USA verboten oder hätte allgemein schon 2004 verboten werden sollen. Einen Beleg kann man dazu aber nirgends finden. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA schreibt nämlich

      Conducted in 1999, this review found no evidence of harm from the use of thimerosal as a vaccine preservative, other than local hypersensitivity reactions (Ball et al. 2001).

      und gibt heute eine empfohlene Maximaldosis von 0,1 Mikrogramm Ethylquecksilber pro Kilogramm Körpergewicht und Tag an, die WHO sogar 0,47 Mikrogramm. Selbst wenn man ersteren Wert zugrunde legt, würde jeder mit mehr als 50 kg Körpergewicht die erlaubte Dosis bei der Impfung nicht überschreiten. Die europäische Arzneimittelagentur EMEA findet den Stoff auch ziemlich gut.

    • Gerne wird auch kolportiert, Thiomersal löse vermehrt Autismus aus. Ein stichhaltiger Nachweis dieser Vermutung wurde nie erbracht.
  • Der andere mysteriöse Zusatz heißt Squalen. Bei dem ist kein Quecksilber erhalten, denn es handelt sich um einen Kohlenwasserstoff, der auch beim Stoffwechsel im Körper gebildet wird. Er ist also harmlos, sollte man annehmen. Das einzige, was gegen ihn ins Feld geführt werden kann, ist, dass Kriegsveteranen, die das sogenannte Golfkriegssyndrom haben, vermehrt Squalen-Antikörper im Blut haben. Das ist ein Indiz, was aber für sich alleine steht, denn bis auf unklare Einzelbefunde konnte kein Nachweis erbracht werden. Die FDA hat den Stoff nicht zugelassen. Die europäische Behörde EMEA tut dies aber. Die WHO konstatiert jedenfalls, dass bei 22 Millionen Grippeimpfungen mit Squalenzusatz in mehr als 10 Jahren keinerlei relevanten Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. Insofern deutet das darauf hin, dass Squalen höchstens einer von mehreren Faktoren für das Golfkriegssyndrom sein kann.
  • Mit viel Verve wird über die vermeintlich so gefährlichen Nebenwirkungen geschrieben. Leider trägt auch die Presse ihren Teil dazu bei. Der bekannte Effekt tritt ein, dass eine Einzelmeldung schon als eine allgemeingültige Tatsache betrachtet wird. Die Meldungen aus Schweden sind dabei die pefekte Spielwiese, denn hier wurde schon früh mit der Impfung begonnen. Bis Ende Oktober wurden rund 200 Fälle in Zusammenhang mit registriert. 37 Patienten zeigten allergische Symptome. Das klingt nach viel, zumal auch von 5 Todesfällen in Zusammenhang mit der Impfung berichtet wurde. Keiner davon ist aber bislang eindeutig dieser zuzuordnen. Bei schätzungsweise mehreren zehntausend Impfungen bislang sind diese Meldungen am Rande der statistischen Bedeutungslosigkeit. Insofern sind die Behauptungen, es könne zu allergischen Nebenwirkungen kommen, ohne den entsprechenden Kontext grob irreführend.
  • Weitere Halbwahrheiten ranken sich um die rechtliche Haftung der Impfstoffhersteller. So wird behauptet, die Hersteller hätten eine umfassende Immunität erhalten.
    • In Deutschland sollen angeblich die Hersteller per Vertrag von der Haftung ausgenommen werden. Ich bin ja kein Jurist, aber seit wann können zivilrechtliche Verträge Gesetze außer Kraft setzen? Eventuelle strafrechtlich relevante Tatbestände wie der der groben Fahrlässigkeit oder ähnliches sind ja wohl kaum damit außer Kraft zu setzen.

      Laut Innenministerium kommen §84 Arzneimittelgesetz und das Infektionsschutzgesetz zum tragen.

      In §84 Arzneimittelgesetz heißt es:

      Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels […] ein Mensch getötet oder […] nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel […] in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn
      1.
      das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder
      2.
      der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

      Ich glaube nicht, dass man sich dieser Pflicht schon einmal vorsorglich per Vertrag entledigen kann. Dass man einen Arzt, der sich an die gelten Vorschriften gehalten hat, für Nebenwirkungen wird belangen können, ist wohl eher im Reich der juristischen Märchen angesiedelt.

    • Eine weitere Tatsachenverzerrung ist, dass behauptet wird, der Staat übernehme die Haftung. Auch dies stimmt nicht. Dies zielt auf das Infektionsschutzgesetz, wo in §60 festgelegt ist, dass der Bund für die Versorgung von Impfgeschädigten aufkommt, wenn er die Impfung empfohlen oder angeordnet hat. Der Bund übernimmt dabei das Restrisiko, das der Patient bei jeder anderen Impfung selbst tragen müsste. Das ist nur recht und billig, denn wenn der Staat seine Bürger zu einer Impfung drängt, dann sollte dieser nicht so behandelt werden, als habe er sich der Sache vollkommen freiwillig unterzogen. Es handelt sich also um keine Entschädigung, denn die Haftung des Herstellers ist davon nicht berührt.
    • In den USA gibt es in der Tat eine Immunität, und zwar zum ersten Mal in dieser Form. Prompt wird behauptet, die Politik wäre nicht viel mehr als eine Marionette der Pharmaindustrie. Selbst wenn es so wäre: dass es gute Gründe für diese Immunität gibt, wird dabei natürlich gerne übersehen. 1976 gab es eine Grippewelle samt dazugehöriger Impfung. Dieser folgte eine Klagewelle, die viel Geld kostete. Da so ein Prozess in den USA gerne mal zweistellige Millionenbeträge an Schadensersatz kostet, wäre es für die Impfstoffhersteller wirtschaftlich äußerst riskant, an die USA zu liefern – ein 1 Milliarden-Dollar-Markt kann so zu einem Verlustgeschäft schrumpfen. Kurzum: ohne die Immunität wäre kein Hersteller bereit, den Stoff überhaupt zu liefern. Die Immunität ist übrigens kein Willkürakt, sondern basiert auf einem Gesetz, das 2006 gegen Bioterrorismus erlassen wurde.
  • Besonders gemütlich in diesen Wintertagen wird die Verschwörung aber erst, wenn es um die böse Pharmalobby geht, die der Politik eingeredet hat, dass diese Impfung so nötig ist.

    Leider lassen sich auch seriöse Medien davon etwas anstecken:

    Es möge sich nach diesem Beitrag jeder einmal fragen, was er in folgender Situation tun wird:

    Sie sind Geschäftsführer einer Firma. Ein potentieller Kunde bestellt bei ihnen eine Million Teile seines Produkts. Sie müssen einige Entwicklungsarbeit und Lizenzgebühren hineinstecken, um überhaupt das Produkt zur Verfügung stellen zu können. Darüber hinaus müssen sie ihre Maschinen monatelang auf Hochtouren laufen lassen, um die Menge bereitzustellen. Welche Vertragskonditionen verlangen sie:
    A. Ich produziere erst einmal und der Kunde kann dann nach Verfügbarkeit bestellen.
    B. Ich verlange eine verbindliche Zusage über eine bestimmte Menge.

    Man braucht kein Betriebswirt zu sein, um zu wissen, dass nur ein Narr Variante A wählen wird.

    Plusminus bekleckert sich in dem Beitrag wahrhaftig nicht mit Ruhm. Auch die Aussagen dieses Arzt und Apothekers nach dem Muster „Es kann passieren, dass…“ haben ungefähr soviel Aussagekraft wie „Man kann beim Spazierengehen von einem Meteoriten erschlagen werden“.

    Es ist in der Tat anzunehmen, dass die Pharmalobby kräftig für den Impfstoff geworben hat. Die Darstellung einer regelrechten Erpressung halte ich jedoch nur für bedingt glaubhaft – immerhin gab es drei Impfstoffe zur Auswahl. Man hätte also auch zur Konkurrenz gehen können.

    Auch wird gerne außer Acht gelassen, dass eine Entscheidung, die von einer Lobbygruppe befördert wird, nicht automatisch falsch sein muss.

  • Das interessante an dieser ganzen Sache ist, dass sich bevorzugt diejenigen, die sich noch nie mit Zivilschutz auseinandergesetzt haben, plötzlich zu Experten in diesem Bereich berufen fühlen. So ist letzten Endes die zentrale Kritik die, dass diese ganze Impfung eigentlich vollkommen unnötig ist. Einige Gedanken dazu:
    • Vor knapp 10 Jahren durfte ich als Feuerwehrmann den Orkan Lothar live miterleben – und damit auch, wie beträchtliche Teile des zivilen Lebens von umstürzenden Bäumen empfindlich gestört wurden. Fließendes Wasser, Strom und Telefon sind keine Geschenke des Himmels, nur weil sie immer funktionieren. Sie müssen von Menschen funktionsfähig gehalten werden. Und diese sollten möglichst gesund sein.
    • Wiederholt durfte ich das Argument lesen, an anderen Krankheiten wie der normalen Grippe stürben doch viel mehr Menschen, so dass die Verwendung von Ressourcen in diesem Fall unangebracht ist. Jedoch ist die normale Grippe jährlich wiederkehrend und deren Effekte bewegen sich in einem vorhersehbaren Rahmen und können abgefedert werden. Es ist ja nicht so, dass wegen der Schweinegrippe weniger Menschen an der normalen Grippe erkranken würden. Der allgemeine Krankenstand kann sich durch die Schweinegruppe durchaus erheblich erhöhen.
    • Zudem entbehrt dieses Argument nicht einer gewissen Zynik. Nichts gegen eine Krankheit zu tun kann wohl schwerlich damit gerechtfertigt werden, dass eine andere Krankheit ja viel schlimmer sei. Es wird hierdurch auch unterstellt, das Geld wäre woanders automatisch besser angelegt, d.h. es würden an anderer Stelle erheblich mehr Menschen gerettet.
    • Das sei doch alles gar keine Pandemie, liest man immer wieder. Unter Pandemie scheinen sich die Leute wohl eine Krankheit vorzustellen, bei der die Menschen sterben wie die Fliegen. Dies stimmt nicht, denn auch eine mildere Krankheit kann sich weltweit ausbreiten und erheblichen Schaden anrichten.
    • Die Menschen scheinen von ihrer Regierung geradezu hellseherische Fähigkeiten zu erwarten. Die hätte natürlich schon im Juni wissen müssen, dass die Grippe nicht nur mild verlaufen würden. Dann hätte man einen Impfstoff ja gar nicht erst kaufen brauchen. Umgekehrt stelle man sich einmal vor, die Regierung hätte nichts getan und die Epidemie forderte tausende Tote. Dann wäre natürlich die Regierung schuld gewesen. Sowas kann man wohl eine Lose-Lose-Situation nennen.
    • Praktisch zu jeder häufig auftretenden Infektionskrankheit gibt es entweder eine Impfung oder eine Therapie. Bei der Schweinegrippe gibt es letzteres nicht – sollen wir dann auch auf ersteres verzichten?

Nach alledem komme ich für mich zum Schluss, dass gegen die Impfung an sich und die Impfaktion als gesamtes wenig einzuwenden ist. Die Argumente dagegen werden aus der Warte gemacht, dass diese Krankheit nicht ernstzunehmen ist. Wie bei der Finanzkrise wissen es nachher alle besser.

Übrigens: ich habe mich heute geimpft. Dazu aber ein anderes Mal – bis dahin weiß ich auch, ob es Nebenwirkungen gab.

Feinstaub, Spikereifen und eine kleine Änderung nebenbei

Der Feinstaub treibt auch die Schweden um. Hierzulande macht man sich aber weniger Sorgen um das, was aus dem Auspuff kommt. Dementsprechend hat auch noch keiner vorgeschlagen, ein etwas undurchdachtes Plakettensystem einzuführen, das nachher weitgehend nutzlos ist.

Auch von schmutzigen Heizungen soll er nicht kommen. Nein, er kommt von den Autoreifen.

Ja, richtig gelesen, denn in Schweden sind Spikereifen, so genannte Dubbdäck, erlaubt. Während diese im Norden unverzichtbar sind, bringen sie in den Großstädten nicht wirklich viel. Im Gegenteil schaden sie sogar, und zwar nicht nur der Straßendecke, sondern auch den Menschen. Denn die Staubpartikel, die die kleinen Metallstifte aus dem Asphalt schleudern, sind schädlich. Plakativ heißt es, in Stockholm sterbe jedes Jahr ein Mensch deswegen, um dem statistisch unbedarften den Eindruck zu geben, man könne diese eine Person auch wirklich finden.

Das regt zu Aktionismus an, denn in Stockholm gibt es eine Straße, auf der, könnte man eben diese eine Person finden, bestimmt dahinscheiden würde: die Hornsgatan mitten im Stadtteil Södermalm. Dort sind die Feinstaubwerte ständig zu hoch.

Daher wurde schon monatelang darüber gesprochen, ein Spikereifenverbot auf dieser Straße einzuführen.

Da gibt es nur zwei Probleme:
1. Was passiert, wenn jemand mit Spikereifen diese Straße kreuzen will bzw. gar nicht mehr umkehren kann? Lösung: ganz Södermalm soll spikereifenfrei gemacht werden.
2. Was ist, wenn es gar keine Gesetz für so etwas gibt?

Letzteres ist nämlich der Fall, und so hat die Regierung heute beschlossen:

  • Die Kommunen dürfen auf bestimmten Straßen Spikereifen verbieten.
  • Spikereifen sind von 16. April bis 30. September generell verboten.
  • Schwedische und ausländische Autos unterliegen auf Reisen von und nach dem Ausland den gleichen Bestimmungen wie schwedische Autos. Das heißt nichts anderes, als dass künftig alle Autos in Schweden von 1. Dezember bis 31. März Winterreifen mit mindestens 3mm Profiltiefe haben müssen.

Das ist ein interessanter Maßnahmenkatalog. Nicht, weil er schon ab 15. November gelten soll – es ist in Schweden nicht selten, dass Entscheidungen sehr kurzfristig umgesetzt werden. Interessant ist die Zusammenstellung, denn das generelle Verbot für Spikereifen war vorher 2 Wochen länger und galt schon ab 1. April. Auch war von ausländischen Autos in meiner Wahrnehmung in der Debatte nie die Rede. Über die Beweggründe ist in der Pressemeldung nichts zu lesen.

Man kann sie sich aber denken. Am 1. April ist schon Tauwetter in Stockholm, aber in Nordschweden noch lange nicht. Auch die Winterreifenpflicht für Ausländer hat ihren Zweck. Ursprünglich war das wohl dafür gedacht, dass jemand über die Grenze kommt und dann entsetzt feststellt, dass er keine Winterreifen hat. Das wiederum spricht nicht gerade für die Vernunft des Fahrers und rechtfertigt eigentlich keine Ausnahme.

So nebensächlich letztere Änderung wirkt: für Touristen und auch für Auslandsdeutsche ist dies künftig Grund genug, sich darauf einzurichten. Ich selbst hatte anfangs auch nur Sommerreifen hier.

So werden also die Dubbdäck in Stockholm teilweise verboten werden – und ich finde es gut. In dieser Region gibt es wirklich keine Notwendigkeit für sie. Die Straßen sind normalerweise frei, und dass jemand, der sie wirklich braucht, auch unbedingt in einen zentralen Stadtteil fahren muss, ist doch recht unwahrscheinlich.

Nicht ganz im Zusammenhang sei auch noch auf diesen Gesetzesentwurf hingewiesen. Nachdem die Regierung nun Absolut Vodka verkauft hat, das Apothekenmonopol abschafft, muss nun noch ein weiteres Monopol dran glauben: Bilprovningen, die schwedische Entsprechung des TÜV, soll mit diesem Entwurf private Konkurrenz bekommen.

Aus und vorbei – der gestrige Målkalas

Der Stadionsprecher bemühte sich erst gar nicht, falsche Hoffnungen zu wecken. Das wäre auch gegenüber 25000 Zuschauern, die sich engagiert den Hintern abfroren, nicht fair gewesen.

Schweden war draußen, und dass ausgerechnet Malta (0 Tore, ein Unentschieden) bei dem Spiel gegen Portugal das Glück mit einem Unentschieden oder gar einem Sieg noch wenden würde, war doch sehr unwahrscheinlich. Trotzdem sollte man nichts unversucht lassen, d.h. gegen Albanien gewinnen.

Und das taten die Zlatan & Co. mit einem Målkalas, also einem Schützenfest. 4:1 sagen die Statistiken. Im Stadio sah das etwas anders aus – zwei der Tore waren mehr Glück als spielerisches Können. Die Schweden standen mehr als ein halbes dutzend mal im Abseits, und wie kläglich da zahlreiche Angriffe wegen gravierender Mängel im Passspiel sowie unnötigen und zeitraubenden Querpässen scheiterte, sagen die Zahlen auch nicht.

Die Mannschaft scheint mir zu alt, und schon bei den letzten beiden Meisterschaften waren die Ergebnisse nur mittelprächtig. Zudem wäre es in der Relegation gegen Russland, Frankreich, Griechenland oder die Ukraine gegangen, was auch nur mit einigem Glück geklappt hätte.

So gerne ich nächstes Jahr auch für Schweden mitgefiebert hätte – die Auszeit ist wohl notwendig und verdient. Spaß gemacht hat das gestern abend trotzdem irgendwie.

Sandhamn

Ich wohne im letzten Vorposten östlich von Stockholm: Gustavsberg – ein Dorf eigentlich, aber mit allem ausgestattet, was eine Stadt braucht. Denn danach kommt nicht mehr viel. Je weiter man sich Richtung Meer bewegt, desto kleiner werden die Siedlungen. Am Ende der Straße liegt Stavsnäs. Nicht der östlichstes Punkt Schwedens, nicht einmal der östlichste Punkt der Region Stockholm. Aber östlich davon kommt nicht mehr viel. Dachte ich zumindest, denn Grinda, Finnhamn usw. sind Inseln, auf denen die Häuser verstreut liegen.

Ganz anders Sandhamn, das ich letzten Sonntag besucht habe. Die Insel, die anscheinend eigentlich Sandön heißt, war dereinst der letzte Hafen vor dem Meer und als solcher seit jeher wichtig. Heute ist daraus ein malerisches Dörfchen entstanden, das man auf einer Insel, die gerade mal 2,5 km lang ist, nicht erwartet. Es könnte aus einem Inga-Lindström-Film stammen. Es gibt eine Dorfbäckerei, einen Kiosk, ein Wärdshus (Restaurant mit Selbstbedienung), einen schon etwas heruntergekommenen Laden und vor allem das Hotel, wo man in der Nebensaison Wellness zu angeblich erträglichen Preisen bekommen kann. Hinter dem Dorf beginnt der Wald, und nur das Rauschen des Meeres von der anderen Seite erinnert daran, dass die Insel so klein ist.

Der Nobelpreis für Chemie und was kaum einem aufzufallen scheint

Dieses Jahr erhält zum ersten Mal seit 1964 eine Frau den Chemienobelpreis. Mit anderen Worten: zum ersten Mal seit 45 Jahren kam die Königliche Wissenschaftsakademie zum Schluss, dass eine Frau zu den Würdigsten gehört, diesen Preis zu erhalten. Das finden anscheinend aber nur die Jerusalem Post und die Washington Post so interessant, dass sie diesem Fakt ein paar Zeilen widmen. Die sonst an Geschlechtergleichheitsthemen interessierte schwedische Presse ergeht sich stattdessen zunächst einmal in Betrachtungen über das Alter der Preisträger. Erst in einem etwas versteckteren Artikel wird das Thema angesprochen, aber dann so:

Frage: Zwei Männer und eine Frau haben den Preis erhalten. Weshalb diese ständige Dominanz der Männer?

Antwort: Ganz im Gegenteil ist das ein voller Durchbruch für Frauen. Wir haben drei Frauen in den wissenschaftlichen Preisen dieses Jahr. Das ist ein Rekord – definitiv eine Trendwende.

Die Fragestellung suggeriert hier, dass ein Verhältnis 2:1 ein Normalzustand bei der Chemie sei, was natürlich nicht der Fall ist.
Ob man von einer Trendwende sprechen kann, sei auch dahingestellt. Bisher haben 16 Frauen den Preis erhalten. Auf Jahrzehnte verteilt sieht das so aus:

  • 1900er: 1
  • 1910er: 1
  • 1920er: 0
  • 1930er: 1
  • 1940er: 1
  • 1950er: 0
  • 1960er: 2
  • 1970er: 1
  • 1980er: 3
  • 1990er: 1
  • 2000er: 5

Man hätte also schon vor 20 Jahren von einer Trendwende sprechen können, die dann nicht eintrat. Zudem sind in diesem Jahrzehnt 3 der 5 Preise dieses Jahr vergeben wurden. Das ist wohl mehr eine zufällige Häufung.

Dass aus dem geringen Frauenanteil gerne geschlossen wird, Frauen würden benachteiligt, ist rein spekulativ. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, dass dies sich ändern muss. Nobels Vorgabe ist nun einmal, dass nur der Würdigste den Preis erhalten soll. Eine Geschlechterquote würde genauso wie eine Nationenquote diesem Ideal widersprechen. Die Akademie kann man für ihren Gleichmut diesbezüglich nur bewundern. Sie bildet mit der bevorzugten Auszeichnung amerikanischer Männer demographisch den Zustand der Wissenschaft vor einigen Jahrzehnten ab. Daher sind Forderungen an die Vergabegremien letzlich an den falschen Adressaten gerichtet. Stattdessen sind Wissenschaft und Gesellschaft heute gefordert, an diesem Zustand etwas zu ändern, damit in einigen Jahrzehnten eine Vergabe an eine Frau keine Besonderheit mehr darstellt.

Nachtrag:auch die Süddeutsche Zeitung erwähnt es am Rande, aber ansonsten ist der Bericht lausig recherchiert. Weder hat Dorothy Crowfoot Hodgkin ihren Preis 1965 erhalten noch wurden deutsche Forscher zuletzt 1988 ausgezeichnet. 1964 und 2007 wären die richtigen Zahlen gewesen.

Indiana Seitz und der Durchfall des Todes

Heute bin ich ganz hin- und hergerissen zwischen:

  1. einem bitterbösen Kommentar zur schlechten Wahlbeteiligung bei der wichtigsten Wahl des Jahres, der Kirchenwahl in Schweden. Dort waren nämlich nur 11,8% bei der Wahl.
  2. einem gewohnt überlangen Beitrag zur gestrigen Wahl. Da waren auch nur rund 60% mehr.
  3. und einem Gesundheitsepos über meinen Aufenthalt in Frankreich im klassischen Stile meiner Fistel-Dialoge. Siehe Überschrift.

Ich entscheide mich gegen alle drei und sage einfach nur ja:

Auf eine Wiederholung dieses Experiments verzichte ich ebenfalls, denn das Ergebnis hätte vermutlich so ausgesehen.

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Gefühlter Zustand der Republik nach gestern abend (Farbe: FDP)

Nach 4 Jahren des Jammerns und des Zeterns sehen wir uns wieder, Potsdamer Platz, 18 Uhr – bringt eure Colts mit. So long (reitet in die Abendsonne)

Der täuschende Eindruck

Wie einen der subjektive Eindruck täuschen kann. So ist es bei der Inflation, aber auch in anderen Dingen. Kürzlich konstatiere ich in einem Beitrag zur Verkehrspolitik in Stockholm:

Die Straßen Stockholms sind mittlerweile genauso verstopft wie vor Einführung der Maut.

Klingt logisch und nachvollziehbar, hoffe ich zumindest. Dummerweise stimmt es aber nicht. Laut diesem Bericht liegt der Verkehr seit Einführung der Maut konstant 18% unter dem Niveau vor Einführung. Zwar denke ich nicht, dass dies dauerhaft so bleiben wird, aber einen Effekt gibt es auf alle Fälle.

Kreuze machen – in doppelter Hinsicht

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Der Wahlschein zur Kirchenwahl

Thomas war wieder einmal schneller: am Sonntag ist Kirchenwahl.

Dieses Ereignis ist schon etwas kurios hier in Schweden, denn die schwedische Kirche war bis 1999 eine Staatskirche, was sich u.a. dadurch ausdrückte, dass sie bis in die frühen 1990er Jahre für das Meldewesen zuständig war. Bis heute gibt es in Schweden keine Trennung zwischen kirchlicher und standesamtlicher Trauung – dir kirchliche Trauung ist gleichzeitig auch die zivile Trauung.

Die Kirchenwahl ist bis heute davon geprägt, denn sie kommt daher wie eine „normale“ Wahl: es wird einem ein hochoffizieller Wahlschein zugestellt. Zudem darf man gleich in drei Wahlen mitstimmen: analog zu den staatlichen Strukturen Kommune, Län (eine Art Bundesland), Königreich gibt es bei der Kirche Församling (Gemeinde), Stift (Bistum) und Kirche als gesamtes. Jede dieser Ebenen wird von einem demokratisch gewählten Rat geleitet.

Das Kuriosum besteht eigentlich darin, dass nicht etwa Einzelpersonen antreten, sondern Listen, die zudem größtenteils von den Parteien aufgestellt werden. Konkret: zu jeder der etablierten Parteien gibt es auch eine Kirchenliste, was irgendwie nicht so wahnsinnig viel Sinn macht, weil es dort ja nicht um Parteipolitik geht und die Linkspartei z.B. mit der Kirche nicht viel am Hut haben dürfte.

Ich bin Mitglied in der deutschen Kirche, die eine sogenannte nicht-territoriale Gemeinde ist. Soll heißen, man kann in dieser Kirche auch Mitglied sein, wenn man nicht in deren Bezirk wohnt. Ansonsten funktioniert das nämlich wie in Deutschland: dort, wo man wohnt, wird man automatisch Gemeindemitglied. Im Gegenzug kann man nur Mitglied werden, wenn man besondere Anforderungen erfüllt. Man qualifiziert sich z.B. durch die deutsche Staatsbürgerschaft oder dadurch, dass man Angehöriger eines Gemeindemitglieds ist. Evangelisch muss man natürlich auch sein.

Da ich derzeit 0,78% meines gesamten Einkommens an die Kirche gebe, wollte ich da natürlich nicht fehlen, wenn schonmal gewählt wird. Da ich am Sonntag nicht wählen kann, bestellte ich ein Briefwahlpaket, das leider nie angekommen ist.

Heute ist der letzte Tag gewesen, im Voraus zu wählen – sowohl durch Vorbeischauen bei der Gemeinde als auch durch Briefwahl. Dummerweise hatte ich die Wahlbenachrichtigung zuhause gelassen.

Die Frau bei der Gemeinde war aber so nett, herauszufinden, dass sie mir eine Ersatzkarte ausstellen kann. Also bin ich heute nachmittag hin und habe gewählt.

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Innen taten sich bemerkenswerte Parallelen zu den allgemeinen Wahlen auf. Wahlkabine, Wahlkuverts und Stimmzettel sind praktisch identisch. Einziger Unterschied war, dass man bei der Kirchenratswahl meiner Gemeinde drei Kandidaten wählen durfte. Es gab zwei Kandidatenlisten. Panaschieren, also die Wahl von Bewerbern mehrerer Listen, war aber nicht erlaubt.

Ich bin ehrlich gesagt weitgehend uninformiert und ahnungslos in diese Wahl gegangen. Daher wollte ich bei den regionalen und nationalen Wahlen auch meine eigene Partei wählen. Dummerweise war diese die einzige, die keine Stimmzettel ausliegen hatte. Also habe ich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Partei einfach auf einen leeren Zettel zu schreiben.
Ich hätte auch nicht gewusst, wen ich sonst hätte wählen sollen. Neben den Parteilisten gab es nämlich noch so Listen wie „Kyrkans Bästa“ („Die Besten der Kirche“), von denen ich noch weniger Ahnung habe als von den etablierten Parteien. Der Knüller ist aber „Öppen Kyrka“ („Offene Kirche“), die es nur auf drei Kandidatinnen bringt. Die drei Mädels sind 65, 70 und 71 Jahre alt, und zwar genau in dieser Reihenfolge auf der Liste. Das Motto lautet also: der Jugend eine Chance geben. Die 70-jährige ist Tänzerin und studiert, um Pastorin zu werden, was in dem Alter doch etwas, ähm, ungewöhnlich ist. Die beiden anderen sind schon Pastorinnen, aber das macht es auch nicht wirklich leichter, diese Liste ernst zu nehmen.

Auf lokaler Ebene habe ich mehr oder weniger spontan entschieden – auf der einen Liste („Samverkan“, zu deutsch „Zusammenarbeit“) waren Zusatzinformationen zu den Kandidaten abgedruckt und ein Name kam mir aus dem deutschen Programm des schwedischen Rundfunks bekannt vor.

Nun fällt mir allerdings auf, dass die andere Liste („Församlingens Röst“, zu deutsch „Stimme der Gemeinde“) anscheinend eine Protestgründung ist, die sich für Erneuerung einsetzt. Konkret hat diese Erneuerung wohl etwas damit zu tun, dass es auch bei den Christen nicht immer so nett zugeht und so der ehemalige Pfarrer anscheinend etwas unsanft hinauskomplimentiert wurde.

So ein Anliegen erscheint unterstützenswert, aber: who am I to judge? Vielleicht gab es gute Gründe dafür, von denen ich schlicht nichts weiß.

Die Kirchenwahl ist irgendwo eine Farce. Man wählt Personen und Parteien, die man bestenfalls oberflächlich kennt. Die Programme, so sie denn deutlich werden, scheinen sich auf Allgemeinplätze zu reduzieren, an denen man kaum echte Unterschiede sehen kann. Die Parteien betreiben ihre Wahlwerbung halbherzig und sehen das eher als Stimmungstest für die große Wahl im nächsten Jahr. Mir scheint, der eigentliche Zweck der Wahlwerbung meiner eigenen Partei besteht mehr darin, die Leute überhaupt zu den Urnen zu locken. Die Wahlbeteiligung ist so mies (letztes Mal: 12%), dass man nur Stammwähler zu mobilisieren braucht, um einen großartigen Wahlsieg feiern zu können.

Das nächste Mal werde ich versuchen, mich zu informieren – aber für dieses Mal blieb mir nur noch, meine unqualifizierte Stimmabgabe zu bezeugen, als meine drei Wahlzettel in den Briefwahlumschlag getan und in eine versiegelte Urne geworfen wurden.

Eigentlich schade…

…dass ich diesen Tipp nicht an die Zeitung geschickt habe. Heute morgen war nämlich ein großer Bericht über meinen alten Wohncontainer in der Dagens Nyheter. Dieser steht nämlich leer, und das bei massivem Wohnungsmangel für Studenten in Stockholm.

Dort ist zu lesen, dass das Gebäude einer Firma gehört und der Vertrag mit der KTH am 1. Juli 2008 ausgelaufen ist. Daher also der Leerstand, der auch damit begründet wird, dass die Küche nicht für die vielen Studenten ausgereicht habe. Das ist natürlich eine leichte Verzerrung der Wahrheit – näher an dieser wäre gewesen, dass ein Herd pro 10 Personen wohl schon ausgereicht hätte, wenn man die Leute dazu hätte bringen können, die von ihnen benutzten Töpfe abzuspülen.

Vielleicht tun die Verantwortlichen das einzig richtige und bauen den Container so um, dass er weniger Studenten fasst, aber dafür eine erträgliche Lebensqualität bietet. Wenn die Wohnungsnot einmal nachgelassen hat, kann man den ganzen Mist dann ja verschrotten.

Übrigens sind Container im Schwedischen immer Müllcontainer. Wohncontainer heißen „barack“ – irgendwie auch passender.

Vorbeifahren

Vor einiger Zeit gab es eine Werbekampagne hier in Stockholm. Dort war auf schwarzem Grund groß zu lesen:

Es gibt nur zwei europäische Länder, deren Hauptstadt keine Umgehungsstraße hat.

Und darunter klein:

Albanien ist das eine.

Womit sich jeder denken, welches das andere ist: Schweden.

In der Tat gibt es derzeit genau drei Möglichkeiten, die Region Stockholm zu umfahren – und von denen sind zwei so abwegig, dass sie nie jemand dafür benutzen würde.
De facto gibt es also nur einen Weg, nämlich den Essingeleden, eine Autobahn über Kungsholmen, auf der trotz vierspurigen Ausbaus jeden Morgen Stau ist.

Die Schaffung einer Alternative tut also not. Diese soll die „Förbifart Stockholm“ werden, also die Vorbeifahrt an Stockholm. Eine Autobahn, größtenteils unterirdisch verlegt wird – 17 der 21 km werden Tunnel sein – soll einen Bogen im Westen über die Inseln der Gemeinde Ekerö schlagen und dann im Nordwesten die Anbindung an die großen Straßen E4 und E18 schaffen. Bis 2020 „kann“ der Bau fertig sein, was soviel heißt, dass er bis dahin nicht fertig sein wird.

Kritik wird laut von einigen Seiten. Man fürchtet um den Umwelt- und vor allem den Klimaschutz. Auch die Bewohner der Insel Lovö, unter der ein Teil des Tunnels verlaufen und die auch eine Autobahnabfahrt bekommen soll, sind nicht begeistert.

Die Argumente dieser Gegner sind mir doch einigermaßen schleierhaft. Ein Tunnel schadet ja wohl kaum der Natur. Wenig stichhaltig erscheint mir das Argument, der CO2-Ausstoß werde dadurch erhöht, denn dies beruht auf der Annahme, der Verkehr werde weniger wachsen, wenn man einfach keine Straßen für ihn baut. Diejenigen, die so argumentieren, verweisen auch auf die Stadtmaut, die man dafür benutzen könne, den Verkehr fernzuhalten.

Dabei hat gerade die Trängselskatt gezeigt, dass eine solche Maßnahme bestenfalls lenken kann – fernhalten kann es den Verkehr aber nicht wirklich. Die Straßen Stockholms sind mittlerweile genauso verstopft wie vor Einführung der Maut. Man hat sie seit 2007 nicht mehr angehoben, was einen starken Gewöhnungseffekt erzeugt.

Der Bau der Förbifart ist mehr als überfällig und ich kann sie eigentlich nur unterstützen. Außerdem erscheinen mir Klagen aus Ekerö übertreiben, weil Ekerö eine der Kommunen ist, die die schlechteste Verkehrsanbindung haben – die meisten werden wohl froh darum sein, wenn sie keine Fähre mehr nehmen oder den endlosen Umweg über Bromma fahren müssen.

Der Ablauf der Planung scheint mir aber symptomatisch zu sein für Verkehrsplanung im Raum Stockholm.

Slussen baut man erst um, nachdem es zu einem heruntergekommenen und nach Urin stinkenden Schandfleck geworden ist. Die Citybanan, ein S-Bahn-Tunnel unter Stockholm zur Entlastung des südwärts gerichteten Schienennetzes, wird in Angriff angenommen, nachdem die S-Bahn Pendeltåg schon seit vielen Jahren ein Synonym für Unzuverlässigkeit und Störungsanfälligkeit ist. Die am schnellsten wachsenden Kommunen sind nur durch Busse angebunden und haben nichtmal in Aussicht, Schienenverkehr zu erhalten. Zu der Insel, auf der ich wohne, gibt es nur eine altersschwache und überlastete Brücke, aber eine neue Brücke soll es erst in 15 Jahren geben – von einer Anbindung an den Schienenverkehr wird erst gar nicht gesprochen, obwohl jetzt schon die Busse in kurzen Takten fahren und trotzdem voll sind.

Wenn man von dem zukunftsweisenden Projekt der Tvärbanan absieht, baut man immer erst dann, wenn die Situation eine Zumutung geworden ist. Man repariert einen Schaden erst, wenn er eingetreten ist, aber versucht nicht, ihn vorsorglich zu verhindern.

Insofern kann ich der Förbifart eigentlich nur einen Kritikpunkt entgegen bringen, nämlich den, warum das Projekt nicht gleich durch eine Erweiterung des Nahverkehrs ergänzt hat. Eine direkte S-Bahn von Södertälje nach Akalla und Hjulsta wäre der Region sehr zuträglich.