Handarbeit

vday
Quelle: Stockholm City

Gestern wollte die U-Bahn-Zeitung Stockholm City offenkundig einmal auf andere Art um ihre Leser werben. Sie verkündete nämlich (für mich) etwas überraschend, dass Februar der „Monat des Unterleibs“ sei. Weiterhin erfährt man, dass am 9. Februar der Namenstag von Fanny ist, und das sei ein englischer Begriff für den Unterleib. Zwar ist der konkrete Bezug des V-Day, wie er im Text erwähnt wird, zum Februar nicht ganz klar, denn er kann wohl auch noch im März oder April begangen werden. Aber irgendwie muss man wohl dieses Thema verpacken.

Wobei es im eigentlichen Text relativ unverpackt zugeht. Denn es geht um Onanie, und zwar für Damen. Ylva Franzén, ihres Zeichens „Erotikpädagogin“, schreitet in einer Onanieschule zu Werke und gibt sieben unglaublich wichtige Tipps:

  1. „Stimulanzpaket“ bereit halten. Dieses besteht aus den Fingern und der Fantasie. Wer beides nicht hat, hat bestimmt größere Sorgen als die sexuelle Befriedigung.
  2. Gemütliche Stimmung schaffen, zum Beispiel mit Musik.
  3. Beginnen, die Vagina zu untersuchen
  4. Ausprobieren, welcher Teil der Vagina am empfindlichsten ist.
  5. Jede Art der Stimulation mehrere Minuten probieren und dann wechseln.
  6. Innen in der Scheide funktioniert oft Druck am besten.
  7. Der G-Punkt ist ganz oben, aber ein bisschen weiter drin.

Die drei Frauen, die das noch nicht wussten, wissen jetzt also bescheid. Ein Platz in der Hölle ist nach Ansicht mancher nach dieser Lektüre schon reserviert.

Böse Zungen werden behaupten, dass dies kein Thema für den Titel einer täglichen Zeitung ist. Ylva Franzén würde dem wohl entgegnen, dass man mit einer Zunge auch ganz andere Sachen machen kann.

Gedanken zum Tage

  • Etwas kurios ist dieser Artikel von Liza Marklund, der aus einem Merian-Heft stammt und bei SPIEGEL Online veröffentlicht wurde. Das ist schon deswegen so, weil Liza Marklund in letzter Zeit viel Kritik dafür bekommen hat, dass ein von ihr geschriebener dokumentarischer Roman wohl doch nicht ganz so faktentreu wahr, obwohl der Untertitel „eine wahre Geschichte“ dies andeuten sollte. Marklund schreibt über ihr Stockholm, also anscheinend jenes für alle, die soviel Geld haben, dass der Preis keine Rolle mehr zu spielen scheint. Zu denen gehört sie offenkundig, und so ist ihre Beschreibung von Stockholm zwar irgendwo passend, aber auch ansatzweise snobistisch. Es ist nicht verwunderlich, dass sie nur einen Steinwurf vom Mälaren entfernt wohnt und ihr Büro in der Altstadt hat. Die Vorstädte erwähnt sie vor allem im Zusammenhang mit dem Arlanda Express, einem reichlich teuren Direktzug vom Flughafen in die Stadt. Von Betriebsunfällen spricht sie, wenn sie über diese hässlichen Betonburgen erzählt. Und sie hat recht. Aber man hat gut reden, wenn man in so privilegierter Lage wohnt, und unweit des Stureplan, der offiziellen Sammelstelle für unbezahlbare Nobelboutiquen, seine Klamotten einkauft. Kurios ist auch eine Bildunterschrift. Dort heißt es

    Starke Schwedenkrone: Der Kurswert Stockholms bei Touristen, die hier von Skeppsholmsbron nach Gamla Stan hinüberschauen können, ist genauso hoch

    Interessant, Anspielungen auf einen starken Kronenkurs zu machen, während die Krone gerade in der schwächsten Phase überhaupt ist und im letzten halben Jahr über 10% gegenüber dem Euro nachgegeben hat – vom Dollar erst gar nicht zu reden. Das ist fast schon ein Fall für die Spiegelkritik

  • Letzte Woche Mittwoch war mein Rekord leider vorbei. In den genau 1269 Tagen seit meiner Ankunft in Schweden hatte ich es geschafft, einen eisbedingten Sturz zu vermeiden. Ich bin gerutscht, aber nie gestürzt. Nun eben doch – der Weg vom Schwimmbad zur U-Bahn war spiegelglatt. Ich begann sofort einen neuen persönlichen Rekordversuch. Die 1269 Tage werden erst am 13. Juli 2012 vorbei sein. Drückt mir die Daumen!
  • Ich habe es endlich angegangen, mein Auto nach Schweden umzumelden. Das Verfahren ist unglaublich schnell. Vom Antrag am 13. Januar vergingen gerade einmal 6 Tage bis zur fertigen Bearbeitung. Gestern hatte ich dann den Termin bei Bilprovningen (schwedischer TÜV), bei dem die Identität des Autos und den einwandfreien technischen Zustand des Gefährts bescheinigt wurde. Die zukünftige Autonummer bekam ich gleich mit. Ab dem Moment war ich also aktenkundig, und das Auto ist als „stillgelegt“ verzeichnet. Eine Versicherung zu buchen ist leider nicht so leicht, denn importierte Autos fehlen im Computer, so dass man nicht eben online nachschauen kann, was das denn kosten würde. Ich habe verschiedene Angebote eingeholt, die zwischen 210 € und 350 € pro Jahr schwanken. Da habe ich natürlich bei den 210 zugeschlagen. Derweil fertigt die neue Behörde Transportstyrelsen die Schilder. Sobald ich den neuen Fahrzeugbrief/-schein habe, kann ich das Auto in den Verkehr bringen, indem ich es einfach online anmelde und die Steuer entrichte. Manchmal ist die schwedische Bürokratie echt beeindruckend: vom Antrag bis zum ersten Tag im Verkehr sind es drei Wochen, wenn man sich etwas beeilt.
  • Interessant ist auch, dass ich dank der Steuersenkung der Regierung nun trotz Umzugs in eine höher besteuerte Kommune mehr Gehalt bekomme – glaube ich zumindest, denn ich weiß noch nicht, ob mein Umzug schon in die Berechnung mit einfließt.

Tunnelbana wechselt Betreiber

Gerade wurde entschieden, dass die Hongkonger Gesellschaft MTR die U-Bahn in Stockholm übernimmt und in den nächsten 8 Jahren betreiben wird. Es gab insgesamt 6 Firmen in der Ausschreibung, darunter ein von der Deutschen Bahn gestütztes Konsortium. Es war allerdings erwartet worden, dass entweder der aktuelle Betreiber Veolia oder MTR die Ausschreibung gewinnen würde. So bleiben Veolia nach der Aufgabe des Busverkehrs nur noch einige der anderen Lokalbahnen.

Es ist soweit

Die ganze Welt schaut in diese eine Hauptstadt, wo heute unter großem Pomp ein historischer Moment gefeiert wird. Millionen sind angereist, um persönlich zu erleben, wenn heute ein Mann auf eine Bühne tritt und verkündet, welche Betreibergesellschaft künftig die Stockholmer U-Bahn betreuen wird.

Ganz nebenbei wird 6641 Kilometer westlich davon ein neuer US-Präsident vereidigt. Er heißt Barack Obama, und fährt auch gerne mit der Bahn:

Aber wen interessiert das schon?

Mich zum Beispiel, und deshalb werde ich heute etwas länger auf Arbeit bleiben und mir das Spektakel im Internet angucken, wenn ich es technisch hinbekomme. Hier schonmal eine Liste von Videostreams, wo es funktionieren könnte.

Natürlich interessiert mich auch die U-Bahn – vielleicht wird es dazu auch überraschendes im Laufe des Tages geben.

Nachtrag (12:08 Uhr): Es gibt das ganze auch eingebettet zum Ansehen

Nicht schlecht – nur funktionieren muss es.

Umgezogen

Ein kurzer Abriss der letzte 8 Tage:

Dienstag, 2. Dezember: Rückkehr aus Berlin. Das Flugzeug von Ryanair war bemerkenswert leer, was sehr erfreulich war. Nach Ankunft sind wir sofort nach Gustavsberg gefahren, um die Schlüssel abzuholen. Die Wohnung ist echt gut, aber wir haben noch einige Anmerkungen zum Besichtigungsprotokoll. Unser Keller ist nicht leergeräumt, die Namensschilder fehlen und ein Hakenkreuz ist im Treppenhaus in die Wand geritzt. Wir ziehen noch Abend einige kleinere Möbelstücke um.
Mittwoch, 3. Dezember Ich fahre zur Hausverwaltung und trage unsere Anliegen vor.
Donnerstag, 4. Dezember Wie der Berlintrip lange vorgeplant, erhalte ich im Vorhinein mein Geburtstagsgeschenk: das Elton-John-Konzert im Globen. Zunächst waren wir sehr abgelenkt wegen der Wohnung und dem eigentlich viel wichtigeren Umzug, aber der Mann ist ein großer Entertainer, und der Abend war prima.
Freitag, 5. Dezember Nach einigen Schwierigkeiten mit der Anhängerkupplung kann ich nun doch einen Anhänger mieten. Die Kupplung ist abnehmbar, und vor nicht allzu langer Zeit wusste ich nichtmal, dass das Auto überhaupt eine hat. Sie war wegen der jahrelangen Nichtbenutzung so schwergängig, dass ich zunächst dachte, sie wäre abgeschlossen. Der Schlüssel tauchte nach etwas Suche bei meinen Eltern auf. Er kam rechtzeitig mit der Post, und nach einer Menge Salatöl und richtig Öl lief alles wie geschmiert. Stefan half uns am Freitag mit dem Umräumen, so dass am Samstagmorgen vorwiegend die großen schweren Sachen übrig waren.
Samstag, 6. Dezember Wir hatten glücklicherweise viele Umzugshelfer, obwohl es ja sehr kurzfristig organisieren mussten. Am Nachmittag war alles in der neuen Wohnung. Vielen Dank an die ganzen Umzugshelfer!
Sonntag, 7. Dezember Es hat sich herausgestellt dass der Küchentisch zu groß ist. Wir fahren zu IKEA und verbringen letztendlich fast den ganzen Tag dort. Derweil ist die Wohnung natürlich noch ein Riesendurcheinander.
Montag, 8. Dezember Selten war mir ein Geburtstag so egal wie dieser, denn die ganzen anstehenden Arbeiten lassen ihn vollkommen in den Hintergrund treten. Vielen Dank für die ganzen Geburtstagsanrufe und -mails! Tagsüber bin ich bei einem Experiment an der Uni, aber ich verabschiede mich früh. Ich quäle mich den ganzen Abend mit einer Dose für einen Netzwerkanschluss. An mir ist wirklich kein Elektriker verloren gegangen, und dieser Verkabelung ist so nervig, dass ich verstehe, wieso WLAN erfunden worden ist. Erst am Dienstagabend gelingt es mir (mit einer anderen Dose), einen einigermaßen stabilen Anschluss zu fabrizieren.
Dienstag, 9. Dezember Die Wohnzimmervorhänge passen farblich nicht. Immerhin ist die Wohnung langsam einigermaßen aufgeräumt, auch wenn es noch massiv an Regalen, Vorhängen und der Installation des Küchentischs mangelt. Ich werde am Donnerstag wohl noch einmal zu IKEA aufbrechen müssen, um Regale zu besorgen.

Heute kommt nun der erste Besuch. Mittlerweile bin ich guter Dinge, dass bis nächste Woche so etwas wie ein Normalzustand eintreten wird.

Capital in concert

Wie immer bei meinem Konzertfotos alles messerscharf zu erkennen, in diesem Fall Jason Mraz.

Einer der unbestreitbaren Vorzüge, in einer Landeshauptstadt zu leben – und damit meine ich nicht Hauptstädte wie Saarbrücken – ist, dass fast jeder bedeutende Musiker, der das Land betritt, fast zwangsläufig ein Konzert hier gibt.

Daher sollte man sich eigentlich einen Blick in die Liste der Konzerte verkneifen, wenn man nicht schnellstens sein Geld verschleudern möchte. Zwar sind Konzertkarten nicht übermäßig teuer, aber die Auswahl ist beachtlich. So kommt diese Woche Leonard Cohen, der mittlerweile auf die 75 zu geht, und bestimmt zum letzten Mal da ist. Im Dezember kommt Elton John (schon ausverkauft), und wenn man es drei Nummern kleiner mag, der kann Ende dieses Monats Cyndi Lauper bewundern.

So zog es mich auf „Anregung“ meiner Freundin kürzlich zu einem Konzert von Jason Mraz. Eine exzellente Vorstellung, und man merkte auch, dass er seinen Spaß hatte. Man kann annehmen, dass er auch eine größere Halle als das doch eher bescheidene Fryshuset gefüllt hätte.

Meine Handykamer ist ein Auflösungswunder: Katie Melua glasklar

Das brachte mich erst zum Stöbern, und zu Katie Melua. Das One-Hit-Wonder von 2003 spielte in eher gediegener Atmosphäre mit Sitzplätzen. Das Konzert war ein Beweis dafür, dass man keine Pyrotechnik braucht, um optisch beeindrucken zu können – die Spielereien mit Lichtelementen waren fast schon ablenkend. Bemerkenswert ist auch, dass diese Frau live praktisch genauso klingt wie auf Platte. Wie bei Jason Mraz hörte man, dass hier echte Musiker am Werk sind. Katie Melua saß zu Beginn sogar alleine auf der Bühne und spielte wie in einem Club, schlicht mit ihrer Gitarre bzw. auf dem Klavier. Ihre Begleitband war zwar auch toll (vor allem der Gitarrist mit der 70-er-Jahre Pornostar-Frisur), aber von mir aus hätte sie sogar das ganze Konzert alleine bestreiten können. Standing Ovations waren vorprogrammiert.

Das nächste Konzert wird dann wohl erst das alljährliche Luciakonzert am 13. Dezember werden, dieses Mal mit Karten für Plätze, bei denen man etwas sieht.
Man muss ja das Geld ein bisschen zusammenhalten.

Es geht ein Lauf durch Lidingö

Unverhofft kommt oft – vor zwei Wochen wurde im Intranet meines Arbeitgebers Busslink angeboten, man könne an der Auslosung von Plätzen zum Lidingöloppet teilnehmen. Busslink ist nämlich Sponsor und konnte so auch einige Mitarbeiter ins Rennen schicken.

Lidingöloppet ist eine Institution auf Lidingö. Diese Insel liegt direkt neben Stockholm, ist aber eine eigene Kommune. Wie alle Kleinen, die neben Großen liegen, legt wohl auch Lidingö besonders viel Wert darauf, selbstbewusst aufzutreten und zumindest in irgendetwas der Größte zu sein.

Auf wundersame Weise haben die Bewohner der Insel das auch geschafft – mit dem größten „Terränglopp“ (Crosslauf) der Welt. Über 32000 Läufer waren dieses Mal angemeldet. Wie man auf solche beeindruckenden Zahlen kommt, lässt sich erahnen, denn der Lauf ist vielen Dingen anders. So darf man sich bis zum Wettkampftag anmelden und ummelden, was sonst nur bei Kleinstläufen geht, bei denen man für jeden Teilnehmer dankbar ist.

Der Hauptgrund ist wohl, dass es eine Fülle von Disziplinen gibt, die auf drei Tage verteilt werden. Vom 1,7 km kurzen Lauf Lidingöruset, über die Läufe für Kinder, Nordic Walking auf drei verschiedenen Distanzen, einer Staffeldisziplin bis hin zu den langen Laufstrecken, die aus einem Frauenlauf über 10 km, einem Mittelstreckenlauf über 15 km und der Königsdisziplin über 30 km bestehen. Letztere ist auch der „eigentliche“ Lidingöloppet, der in den sogenannten „schwedischen Klassiker“ eingeht. Bei dem geht es darum, vier sehr harte sportliche Wettkämpfe innerhalb eines Jahres zu bestehen.

30 km klingt gar nicht so furchteinflößend, aber die Betonung liegt eben darauf, dass es sich um einen Crosslauf handelt. Dieser Begriff ist natürlich sehr dehnbar, je nachdem, wie cross man es denn mag. In Lidingö bedeutet er, dass es auf schmalen Waldwegen auf weiten Teilen der Strecke steil den Hügel hinauf und wieder hinab geht – Steine und Wurzel auf dem Weg inklusive. Das alles ist nicht angenehm, aber immerhin angenehmer als bei SpringCross, wo man teilweise durch das hohe Gras muss, ohne zu wissen, wie der Untergrund sich verhält. Trotzdem sind 30 km extrem hart und dürften mehr belastend als ein Marathon sein.

Das war mir vorher schon einigermaßen bewusst, und so war mir auch klar, dass die 30 km im Moment eine Nummer zu hoch für mich angesiedelt sind. Damit war ich geradezu prädestiniert für die 15 km, eine Distanz, die wohl genau für eine solche Klientel eingeführt wurde.

Am Freitag radelte ich also unter abenteuerlichen Bedingungen nach Lidingö. Die Beschilderung war nämlich so schlecht, dass ich auf der Schnellstraße landete, anstatt die Fahrrad- und Fußgängerbrücke zu der Insel zu nehmen. Ähnlich schön war auch, dass meine Startnummer fehlte. Daraufhin erhielt ich eine andere Nummer, die dann eben nicht mehr auf mich persönlich ausgestellt war. So fuhr ich am Freitag insgesamt rund 39 km mit dem Fahrrad. Wenig verwunderlich fühlte ich mich tags darauf auch nicht gerade topfit.

Am Samstagmorgen wollte ich mich daher natürlich vor unnötigen Belastungen schützen. Ich fuhr mit der U-Bahn nach Ropsten und ab dort mit den kostenlosen Shuttlebussen, die natürlich nicht zufällig von Busslink gestellt wurden.

Was die Gepäckabgabe angeht, ist der Lidingöloppet etwas speziell. So kann man seine Tasche wie bei vielen anderen Läufen vor dem Start abgeben. Besonders ist hier aber, dass man darüber hinaus noch einen Plastikbeutel erhält, in den man Kleidung stecken kann, die man bis vor kurz dem Start anbehalten möchte. Dieser wird dann in einen Wagen neben dem Startfeld geworfen, und nach dem Lauf erhält man beides wieder zurück.

Start und Ziel sind räumlich voneinander getrennt, aber in Spaziergangsreichweite voneinander. Dazwischen liegt die Sportmesse, wo Taschenabgabe und Startnummerausgabe stattfinden. Insgesamt hat das auch ein bisschen etwas von Volksfest, denn die Wege sind teilweise gesäumt von Ständen.

Der Start selbst fand auf einer weitläufigen Wiese statt. Jede Startgruppe hatte ihr abgestecktes Feld. Beim Lidingöloppet werden die Startnummer nicht nach den Zeiterwartungen vergeben, sondern nach der Reihenfolge der Anmeldung. Es können also auch langsame Läufer vorne starten, die dann die schnelleren behindern. Dazu kommt, dass die Strecke schon nach wenigen hundert Metern sehr schmal wird.
Daher ist das Startfeld so angelegt, dass auf möglichst großer Breite gestartet wird, und es wurde darum gebeten, dass man sich als langsamer Läufer rechts halten solle. Auf diese Weise sortiert sich das Feld sehr schnell.

Die erste Startgruppe lief 10.30 Uhr los, die zweite 10.40, und so weiter.
Ich war als spät hinzu Gekommener in der vierten und letzten Startgruppe, und dort merkte man auch, dass die 15-km-Distanz noch nicht lange angeboten wird. Das Startfeld war gerade einmal halb gefüllt.

Schon bald nach dem Start merkte ich, dass bei dem Lauf auch viele teilnahmen, die sich ganz klar übernommen hatten oder von vorneherein auf einen langen Spaziergang abzielten. Schon nach 2 km gingen einige, und ich begann mich zu fragen, wie lang es wohl dauern würde, bis ich den ersten aus der Gruppe vor mir überholen würde. Das ist eigentlich leicht herauszufinden, denn die Startnummern sind mit verschiedenen Farben markiert.

Dummerweise war mir nicht mehr so ganz gegenwärtig, dass meine Startnummer die Farbe blau hatte. Als ich da nach ca. 2 km schon an den ersten grünen vorbeikam, hielt ich dies für meine eigene Farbe und wunderte mich, dass die so lange vor mir geblieben sein konnten. Mir fiel der Fehler erst auf, als ich nach 6,5 km den ersten mit roter Startnummer überholte – auf den hatte ich also zu dem Zeitpunkt schon 20 Minuten Vorsprung. In der letzten Startgruppe zu sein brachte mit sich, dass ich mich an niemandem orientieren konnte. Bei einem simultan gestarteten Lauf ist es so, dass man irgendwann seinen Platz im Feld gefunden hat und sich dann an seinen Mitläufern orientiert. Das ging am Samstag nicht, denn alle, die vor mir waren, mussten eigentlich zwangsläufig die langsamsten der vorigen Gruppe sein, und die konnte ich mir schlecht als Richtlinie für die eigene Geschwindigkeit nehmen.

Ich war ohne Zeiterwartungen gestartet, denn ich wusste nicht, wie die Strecke nun in der Praxis aussehen würde. Was ich vorfand, war eine Strecke, die mich stark an meine frühere Laufstrecke am Lappis erinnerte: schmale Wege, kurze aber steile Anstiege, unebener aber harter Boden.

Es lief gut, und es zeigte sich auch, dass das viele Radfahren in den letzten Wochen und meine weiteren 2 kg weniger seit dem Halbmarathon ihre Wirkung zeigten. In einer längeren Phase überholte mich keiner mehr, sondern ich überholte nur noch die Läufer von den anderen Startgruppen. Eine schöne Einrichtung des Lidingöloppet ist übrigens, dass die Kilometermarken nicht wie bei anderen Läufen nach oben zählen, sondern einem Countdown gleich nach unten.

Ich orientierte mich an der Geschwindigkeit von 6 Minuten pro Kilometer, und zeitweise hatte ich darauf drei Minuten Vorsprung. Zwar war ich am Anfang nicht so schnell wie beim Halbmarathon, blieb dafür aber ziemlich konsequent unter den 6 Minuten pro Kilometer. Ab 10 km schmolz der Vorsprung nicht mehr rapide dahin, sondern verkleinerte sich nur langsam.

Umso erfreulicher ist das Endergebnis: 1:28:41 Stunden!

Das sind 1:10 Minuten schneller als die 15-km-Zwischenzeit beim Halbmarathon. Das alles, wohlgemerkt, auf einer Strecke, die erheblich anstrengender ist.

Ich bin daher auch recht stolz und freue mich schon auf den Halbmarathon in einem Monat auf Åland, bei dem ich gerne zumindest der Zwei-Stunden-Marke näher kommen würde.

Interessant ist aber auch die Gesamtergebnisliste. Normalerweise schaue ich nicht so darauf, denn die Platzierung sagt wenig darüber aus, wie gut man nun war. Dazu ist die Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes zu unterschiedlich bei den verschiedenen Läufen. Allgemein bin ich aber bemüht, in das Mittelfeld eines Laufes vorzustoßen. Beim Lidingöloppet hingegen bin ich nicht nur gerade so darin gelandet, sondern ich habe es sogar geschafft, fast 60% der anderen Läufer hinter mir zu lassen – was aber auch darauf hindeuten kann, dass die Konkurrenz einfach etwas schwächer besetzt war wegen der vielen attraktiven Alternativen zu dieser Distanz. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich es jemals zu einem so guten Ergebnis geschafft hätte.

Das macht natürlich Lust darauf, nächstes Jahr wieder anzutreten.

Jetzt muss ich aber erst einmal an den Nachwirkungen leiden. Gestern war es der Muskelkater, heute die Gelenke – und eine riesengroße Blase am linken Fuß.

Fehmarnbeltbrücke

Mehr am Rande der Nachrichten stand ein Staatsvertrag, der indirekt auch für Schweden Bedeutung haben wird: die Fehmarnbeltbrücke zwischen der Inseln Fehmarn und Rödby in Dänemark wird gebaut, und zwar bis 2018.

Die Sache ist natürlich mal wieder ein Beispiel für Deutschlands Zaghaftigkeit in Sachen Verkehr. Man konnte sich nicht durchringen, sich wirklich an der Brücke zu beteiligen. Der Deal sieht jetzt ungefähr so aus, dass Deutschland die Zufahrt nach Puttgarden ausbaut und Dänemark den Brückenbau übernimmt, dafür aber auch alle Mautgebühren bekommt.

Gesetzt dem Fall, bis dahin nimmt der Mut der Bahnplaner etwas zu, gibt es dann vielleicht sogar mal einen Zug von z.B. Hamburg direkt nach Stockholm. Aber das wird ja sowieso erst frühestens in 10 Jahren aktuell…

Angie in Stockholm

Ich bereue es gerade ein bisschen, mich nicht unter fadenscheinigen Vorwänden unter die Presse bei Angela Merkels Staatsbesuch in Schweden gemischt zu haben. Bei der Pressekonferenz war der Raum halbleer.
Allerdings gab es außer der Anwesenheit der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten auch wenig zu erleben. Die Teile der Pressekonferenz, die ich gehört habe, bestanden fast nur aus Fragen zu Georgien, die mit den üblichen Worthülsen beantwortet wurden, die man in den letzten zwei Wochen zur Genüge hören konnte. Tenor ist, dass Russland sich aus Georgien zurückziehen soll, was für sich genommen ja auch nichts Neues ist. Immerhin wurde die Ostseepipeline, die für Schweden natürlich ein schwieriges Thema ist, kurz erwähnt.

Ansonsten ist wohl alles in Butter. Reinfeldt hat früher schon gesagt, sie sei eine „warme Persönlichkeit“, und dass die „persönliche Chemie“ stimme. Ob die beiden per du sind, ist unbekannt, zumal sie sich auf englisch unterhalten. Das können die beiden dann heute abend beim „Arbeitsabendessen“ in Harpsund
weiter erörtern.

Panoramen (26): Vor dem Grand Hotel

Das Grand Hotel ist vor allem als Übernachtungsmöglichkeit für Nobelpreisträger bekannt. Davor scharen sich aber aus einem anderen Grund die Touristen: hier legen die Boote zu den Stockholmer Schären ab, und die sind für die meisten allemal interessanter als das Hotel.