Schneechaos

So sah es gestern abend vor unserem Haus aus: 50 cm Schnee, der in den letzten 24 Stunden gefallen ist. Heute morgen hatte sich daran nichts geändert. Die Schneepflüge werden woanders mehr gebraucht.

Winter in Schweden ist nun wahrlich keine Überraschung, auch wenn er meistens erst so richtig im Januar kommt.

Was gestern los war, sprengte aber so ziemlich alles, was ich in 7 Jahren in diesem Land so erlebt habe. Am eigentlich gut auf den Winter vorbereiteten Flughafen Arlanda waren zeitweis beide Startbahnen dicht. Als man eine wieder offen hatte, zog man Abflüge vor, so dass kaum jemand landen konnte. Besonders schlecht für eine gute Freundin, die zu Besuch kommen wollte. Sie musste schon im Sommer ihren geplanten Trip wegen Organisationschaos (Radarausfall etc.) am deutschen Flughafen abbrechen. Gestern wurde sie dann erneut Opfer höherer Gewalt, wenn auch dieses Mal einer anderen: das Flugzeug wurde von den Planungsgenies bei SAS zwar Richtung Frankfurt losgeschickt, aber aus dem geplanten Abflug um 12:15 Uhr wurde dann nach und nach 21 Uhr, bis der Flug endgültig abgesagt wurde. So musste die Freundin wieder unverrichteter Dinge abziehen und kommt irgendwann einmal wieder nach Stockholm, aber nicht dieses Wochenende. Das ist auch der Unterschied zwischen SAS und Ryanair: letztere hätten das Flugzeug erst gar nicht losgeschickt, weil eine lange Standzeit an einem fremden Flughafen teuer ist und den Flugplan noch mehr durcheinanderbringt als sowieso schon. Ryanair fährt dicke Gewinne ein, SAS ist fast pleite. An solchen Tagen fragt man sich nicht, wieso. Ich selbst frage mich höchstens, welcher Teufel mich dereinst geritten hat, SAS-Aktien zu kaufen – derzeit bin ich bei rund 90% Wertverlust.

In der Uni. Selbst in solchen engen Durchgängen stand der Schnee hoch.

Aber auch sonst stand gestern alles. Morgens musste ich schon die Tür gegen den Schnee aufschieben. Der Direktbus kam nicht, was aber schon einmal sonst passieren kann. Andere und ich stapften durch den Schnee ins Zentrum, wo eine der Hauptlinien fuhr. Der Weg zur Arbeit dauerte länger, aber es ging. In den folgenden Stunden spitzte sich die Situation zu. Die S-Bahn Pendeltåg brach fast vollständig zusammen. Menschen saßen stundenlang in Zügen fest. Auf Lidingö entgleiste der Nahverkehrszug Lidingöbanan. Ersatzbusse kamen keine, denn woher hätten die denn kommen sollen? Der Busverkehr wurde ja auch reduziert. Ab spätestens 13 Uhr war auch bei uns auf Värmdö Schluss mit Nahverkehr. Am späteren Nachmittag fuhren praktisch nirgends Busse.

Schwere Unfälle gab es en masse. Lastwagen, die in den Graben gerutscht waren und aufgegebene Autos sollen in weiten Teilen der Region vorgekommen sein. Zwei Verkehrstote wurden gestern vermeldet.
Die Menschen hier nehmen die Situation recht stoisch hin, und das sollte man auch, denn es kann gar nicht genügend Schneepflüge für diese Massen geben. Manche gingen eben 15 km nach Hause oder übernachteten bei Freunden.

Unser Zentrum: schwer mit Schnee belastet

In Gedanken spielte ich schon die Option durch, die Nacht in der Stadt zu verbringen. Ich hatte aber wiederum Glück, auch auf dem Heimweg. Die U-Bahnen fuhren, und den hochgefährlich eingeschneiten Stationseingang konnte man mittels Aufzug umgehen. Die Hauptlinien der Busse gingen gegen 17 Uhr wieder unregelmäßig, und so schaffte ich es auch direkt zurück – und ich kann nicht einmal sagen, dass im Busterminal bei Slussen viel los gewesen wäre. Die Bilder in unserem Viertel machten aber das Ausmaß deutlich. Leute versuchten, ihre Autos vom Schnee freizuschaufeln. Viele hatten die Autos gleich auf der Straße geparkt weil sie auf dem Parkplatz steckengeblieben wären. Unser eigenes Gefährt ist auf der vorderen Hälfte unter einem Berg von Schnee begraben. Ohne Freischaufeln wird man da nicht mehr rauskommen. Der Fußweg zu unserem Haus, der in der Regel jede Nacht geräumt wird, ist immer noch knietief mit Schnee bedeckt.

Zu meinem Erstaunen kam der Bus heute morgen noch, als ich schon loslaufen wollte. Mit einiger Verspätung freilich, und auch einige Haltestellen mussten ausgelassen werden, weil der Bus es da nicht durchgeschafft hätte. Aber: nach 85 Minuten war ich auf Arbeit. Die Normalität gewinnt schnell wieder Oberhand.

Aber es wird wohl noch einige Tage dauern, bis alles wieder im Lot ist.

Midnattsloppet 2012

In Blau durch die Nacht: Midnattsloppet 2012

Ich muss den Organisatoren ein Kompliment machen: der diesjährige Midnattsloppet hat endlich einmal wieder das in den Vordergrund gestellt, was diesen Lauf so attraktiv macht.
Nicht dass der Kommerz weniger geworden wären.

Dass man die Zahl der Anmeldungen von 20.000 auf 30.000 erhöht hat, obwohl vor 2 Jahren zwei Läufer umgekommen waren und das Wasser nicht reichte, machte mich gelinde gesagt skeptisch, ob man hier nicht ein Desaster heraufbeschwört. Hierzu musste man nämlich Startgruppen in Nebenstraßen verlegen, weil auch der breite Ringvägen hierfür nicht genügend Fläche hat. Das Wuchern der Veranstaltung ist schon etwas bedenklich: ich war eine gute halbe Stunde vor dem Start vor Ort, und zu dem Zeitpunkt waren die ersten Startgruppen schon unterwegs. Bis man nämlich alle im 5-Minuten-Takt auf die Strecke geschickt hat, sind alleine schon 75 Minuten vergangen. Oder anders gesagt: wenn die ersten auf dem Weg nach Hause sind, haben die letzten ihren Lauf noch lange nicht begonnen.

Der Weg zur Startgruppe war auch schon sehr dicht gedrängt, und es ging kaum voran. Es mag zwar übertrieben klingen, aber vielleicht sollte man bei der Gelegenheit den Zaun der Schule an der Ecke abbauen, um das Vorankommen zu beschleunigen. Ich war denn auch etwas zu spät in meiner Startgruppe, aber da man ohnehin Verspätung beim Start hatte, war dies auch egal.

Bei der Läuferzahl wenig überraschend war es die ganzen 10 Kilometer dicht gedrängt. Auch wenn es mir manchmal etwas zu langsam ging, bin ich doch so realistisch zu wissen, dass für das Springen von Lücke zu Lücke keine Kondition da war. Sportlich hatte man also wie eigentlich schon immer nicht so viel zu erwarten, aber dafür stimmte dieses Jahr das Erlebnis wieder: im Schnitt war ca. alle 200 Meter Musik aufgebaut. Das Publikum stand fast auf dem ganzen Kurs, während es in den letzten Jahren in bestimmten Abschnitten doch eher still war.

Ich schaffte es, durchzulaufen, und schaute kein einziges Mal auf die Uhr – sehr ungewöhnlich für mich. Was eigentlich positiv ist, hatte freilich den Nachteil, dass meine Zeit nicht ganz so gut ausfiel wie erhofft: 1:05:21. Das ist zwar rund 4 Minuten schneller als letztes Jahr, aber eben auch ziemlich weit weg von der 60-Minuten-Marke.

Dennoch: es hat Spaß gemacht, auch dank meiner persönlichen Unterstützung. Die Abfertigung nach dem Ziel und die Gepäckrückgabe klappte auch sehr ordentlich. Wenn die Organisatoren nicht auf die Idee kommen, den Lauf nochmals gewaltig zu erweitern, dann bin ich nächstes Jahr wieder, dann zum 9. Mal, am Start.

Breaking News: Nalle wieder da

Schweden atmet auf: die größte Vermisstensuche der letzten Wochen konnte mit einem Erfolg beendet werden. Der Vermisste ist wohlauf.

Der Tatort: die Hantverkargatan auf Kungsholmen, in violett markiert (Karte: OpenStretMap, CC-BY-SA)

Der Fall hat aus einem besonderem Grund weltweite Aufmerksamkeit erregt: der Vermisste war niemand anderes als der Teddybär der einjährigen Tyra Blomqvist. Sie hatte ihn irgendwo auf der Hantverkargatan im Stadtteil Kungsholmen verloren. Daraufhin hängten die Eltern Poster auf, um ihn wiederzufinden.

Soweit, so unspektakulär. Erst als ein Polizist den Vermisstenfall auf der Facebookseite der Stockholmer Polizei veröffentlichte, wurde daraus eine große Geschichte. Die Sache wurde viral und landete u.a. in der Huffington Post.

Die kleine Tyra hat ihren Teddybär zurück (Foto: Polisen Södermalm)

Natürlich gab es auch Kritik an der Polizei Södermalm. Hat man denn nichts besseres zu tun? Die Polizei konterte souverän: der betreffende Beamte habe die Anzeige in seiner Freizeit geschrieben, und wenn man mit so wenig Aufwand um die 40.000 Menschen erreicht, dann sei das doch eine gute Prioritätensetzung.

Gestern abend dann die erlösende Nachricht: der Teddybär ist wiedergefunden worden und wurde von der Polizei zurückgebracht. Die Suchleitung bedankt sich und wünscht allen Beteiligten einen schönen Sommer. Herrlich.

An der Geschichte erkennt man ohne Schwierigkeiten: in Schweden ist derzeit nicht viel los. Es ist Sommer und das ganze Land in Urlaub. Im Winter wäre wohl für so eine herzerwärmende Posse keine Zeit gewesen. Schade eigentlich.

Wo die Deutschen sind – der Großraum Stockholm und die deutschen Einwanderer

Anteil der in Deutschland geborenen Einwohner an der Gesamtbevölkerung in der jeweiligen Gemeinde. Für Botkyrka, Upplands Väsby und Sundbyberg ist mir die Zahl der Deutschen nicht bekannt, weswegen nur eine obere Grenze, dargestellt durch einen Farbverlauf, angegeben werden kann. (Bild: eigene Erstellung auf Basis der Daten in der DN, Daten des Statistiska Centralbyrån und der Kommunengrenzenkarte des Wikipedianutzers Lokal_Profil, Lizenz CC-BY-SA 2.5)

Es ist nicht zwingend investigativ, wenn Journalisten sich ein paar statistische Daten kommen lassen und daraus ein Thema basteln. Das Ergebnis kann dennoch interessant sein.

Meine tägliche Zeitung, die in Stockholm erscheinende Dagens Nyheter, hatte Ende 2009 den Lokalteil abgeschafft. Auf Anfrage sagte man mir, dass man die entsprechenden Themen lieber auf die entsprechenden Fachrubriken verteilen wolle. Das fand ich nicht so gut, und viele andere wohl auch nicht. Seit dem neuen Layout, das wohl so vor ca. einem Jahr eingeführt wurde, gibt es wieder einen umfänglichen Stockholmer Lokalteil.

Teil der Chronistenpflicht ist natürlich, festzustellen, wie sich die Region entwickelt. Das tat die Zeitung vorige Woche auf mehreren Seiten zu dem Thema, woher die Einwanderer stammen, die mittlerweile gut 20% der Bevölkerung des Großraum Stockholms ausmachen. Das Ergebnis ist eine Doppelseite mit allerlei Grafiken. Woher die Daten stammen, steht zwar nicht direkt dabei, aber es kann dafür nur eine Quelle geben: die Statistikbehörde Statistiska Centralbyrån (SCB). Diese erhebt u.a. die Staatsbürgerschaft und das Geburtsland der Einwohner. Letzteres ist ein gutes Maß für die Zahl der Einwanderer, auch wenn es z.B. natürlich im Ausland geborene Schweden gibt.

Schweden hat sich erst spät zum echten Einwanderungsland entwickelt – heute ist es eines der wenigen Länder, die das Asylrecht sehr ernst nehmen und entsprechend handeln. Daher gibt es viele Einwanderer aus dem Irak, Somalia und anderen Krisenregionen. Lange Zeit kamen Einwanderer aber vor allem aus einem Land: Finnland, das seit jeher eine schwedischsprachige Minderheit hat und zudem erst in letzter Zeit so wohlhabend wurde.

Bis heute sind die Finnen in 23 der 26 Gemeinden im Großraum Stockholm die größte Einwanderergruppe, aber das ändert sich langsam aber sicher. Einwanderung aus und Auswanderung nach Finnland ist praktisch ausgeglichen, so dass die aus Finnland stammenden Menschen langsam aber sicher in der Mehrheitsgesellschaft aufgehen und andere Einwanderergruppen stärker werden. In Botkyrka gibt es mittlerweile deutlich mehr Türken. Södertälje ist mittlerweile für die Aufnahme von Irakern bekannt, die dort mittlerweile fast 10% der Bevölkerung ausmachen. In Sollentuna sind die Iraner knapp stärker vertreten. In Huddinge werden die Iraker die Finnen wohl auch bald überholt haben. Wachsende Einwanderergruppen sind die Polen, die zumindest im Sommer die schwedischen Baustellen bevölkern, und Asiaten, neben Einwanderern aus dem Nahen Osten.

Warum ich diese Erhebung so interessant finde? Als deutscher Einwanderer finde ich es spannend, zu sehen, wie die Deutschen hier vertreten sind und ob es irgendwelche Verdichtungen gibt. Nach Kommunen aufgeschlüsselt sind diese Daten kostenlos bei SCB nicht verfügbar. So kann ich zwar anhand der dortigen Datenbank herausfinden, dass es 48442 in Deutschland geborene Menschen in Schweden gibt (Stand: 2011), aber nicht, wie diese regional verteilt sind, denn diese Daten sind wiederum nur allgemein auf im Ausland geborene Menschen verfügbar, aber nicht nach Herkunftsland aufgeschlüsselt. Die Deutschen sind eine kleine, aber nicht unerhebliche Einwanderergruppe. Über uns wird wenig gesprochen, so dass es für mich umso interessanter ist, zu sehen, wo wir sind und welchen Anteil an der Bevölkerung wir stellen.

Die Tabellen der Dagens Nyheter geben hier einen Einblick. Laut denen waren 2011 insgesamt 11757 in Deutschland geborene Menschen in der Provinz Stockholm wohnhaft – das ist ja schonmal eine deutsche Kleinstadt und reicht für einen siebten Platz hinter Finnland, Irak, Polen, Iran, der Türkei und Chile. Mit Ausnahme von Botkyrka im Südwesten, Upplands Väsby im Norden und der flächenmäßig kleinsten schwedischen Gemeinde Sundbyberg direkt nördlich der Hauptstadt sind die Deutschen in den Top 10 der Einwanderernationen.

Anteil der in Deutschland geborenen Menschen an allen im Ausland geborenen Menschen. Für Botkyrka, Upplands Väsby und Sundbyberg ist mir die Zahl der Deutschen nicht bekannt, weswegen nur eine obere Grenze, dargestellt durch einen Farbverlauf, angegeben werden kann.(Bild: eigene Erstellung auf Basis der Daten in der DN, Daten des Statistiska Centralbyrån und der Kommunengrenzenkarte des Wikipedianutzers Lokal_Profil, Lizenz CC-BY-SA 2.5)

Bleibt die Frage, wie sie sich auf die Region verteilen. Dazu habe ich zwei Grafiken ähnlich denen in der DN erstellt. Es entsteht der Eindruck einer relativ gleichmäßigen Verteilung, der aber angesichts der geringen Zahlen etwas täuscht. Zwar machen die Deutschen ungefähr 0,6 % der Gesamteinwohnerschaft aus und sind nirgendwo komplett abwesend, aber die Schwankungsbreite liegt in den 23 erfassten Kommunen zwischen 0,3 % und 0,8 %.

Interessant ist, dass es kein klares Muster gibt – die 10 Gemeinden mit dem höchsten Anteil an Deutschen sind:

  1. Lidingö: 0,84 % (371 in Deutschland geborene)
  2. Danderyd: 0,84 % (268)
  3. Södertälje: 0,83 % (731)
  4. Täby: 0,81 % (520)
  5. Österåker: 0,75 % (297)
  6. Solna: 0,68 % (473)
  7. Vallentuna: 0,63 % (193)
  8. Salem: 0,60 % (94)
  9. Upplands-Bro: 0,60 % (144)
  10. Nacka: 0,58 % (527)

(Anmerkung: in Botkyrka ist die Anzahl unbekannt, aber der Anteil liegt irgendwo im Intervall 0 % bis 0,74 %)

Es scheint im Wesentlichen zwei Kategorien zu geben:

  1. Gutsituierte Vorortgemeinden: Lidingö, Danderyd, Täby und Nacka sind wohlhabende Vorortgemeinden. Dass die Deutschen eher dort wohnen, mag daran liegen, dass es sich bei ihnen den tendenziell um besser ausgebildete und damit auch besser verdienende Einwanderer handelt. Es dürfte aber auch etwas damit zu tun haben, dass diese Gemeinde allgemein unterdurchschnittlich viele Einwanderer haben.
  2. Landschaftlich attraktive ländliche Gemeinden: bei Södertälje, Vallentuna, Österåker, Salem und Upplands-Bro dürfte sich vor allem das Bullerbü-Syndrom Wirkung zeigen: es handelt sich um großflächige, eher ländliche Kommunen, wo man sich den Traum vom roten Holzhäuschen im Grünen erfüllen kann, ohne weit von den Arbeitsplätzen in der Stadt entfernt zu sein. Zudem sind die Häuser dort relativ gut bezahlbar. Man muss aber auch sagen, dass man Nacka und Täby hier auch hinzurechnen kann – die Immobilienpreise sind zwar hoch, aber die Struktur ist in weiten Teilen schon recht ländlich.

Solna passt in keine der Kategorien. Ich kenne Deutsche, die dort leben, aber wieso gerade diese Gemeinde deutlich weiter oben steht ist mir nicht ersichtlich. Eine Erklärung ist vielleicht, dass Solna de facto eigentlich ein Teil Stockholms und nur aus historischen Gründen administrativ eigenständig ist. Das Gemeindegebiet schließt sich unmittelbar an das Stockholmer Stadtgebiet hat und ist sehr dicht besiedelt. Meine Vermutung ist, dass Solna damit am ehesten den mittelständischen und gut bürgerlichen Teilen Stockholms entspricht, in denen deutsche Einwanderer etwas überdurchschnittlich anzutreffen sind, während in anderen städtisch geprägten Gemeinden wie Stockholm, Sundbyberg oder Botkyrka auch große Mietshaussiedlungen, nicht selten soziale Brennpunkte, die Deutschen etwas weniger anziehen oder sie zumindest nicht lange halten.

Hier zeigt sich auch die Schwäche einer solchen Erhebung: die Gemeinden in sich selbst sind natürlich auch nicht homogen. Stockholm hat mit Östermalm das wohl teuerste Wohngebiet des ganzen Landes, aber mit z.B. Rinkeby und Tensta eben auch große soziale Brennpunkte. Södertälje ist als Anziehungspunkt für irakische Flüchtlinge bekannt, hat aber auch eine große Fläche, wo Einfamilienhäuser die Regel sind. Ein Gesamtdurchschnitt der Gemeinde kann dies nicht wiedergeben.

Interessant ist ein Blick auf die Platzierungen unter den Einwanderergruppen. Nirgends sind die Deutschen die größte Gruppe, aber in Danderyd und Täby schaffen sie es auf Platz 4, in Österåker und Lidingö auf Platz 3. Der zweite Platz wird aber nur in einer Gemeinde erreicht: Värmdö (auf den Karten ganz rechts mit den Inseln), mein Wohnort. Nun wird vielleicht jemand unken, ich hätte mich hier in ein Nest von Landsmännern begeben – die Grafiken oben zeugen vom Gegenteil. Die Erklärung ist simpel. Värmdö ist trotz seines gewaltigen Wachstums in den letzten Jahrzehnten noch sehr klassisch strukturiert: beim Einwandereranteil liegt die Kommune mit 11% auf Platz 23 (von 26), und die Finnen übertreffen alle anderen Einwandergruppen bei weitem. So leben hier 1342 Finnen, die also gut ein Viertel der 4337 hier lebenden im Ausland geborenen Einwohnern stellen. Weit abgeschlagen folgen dann die 211 Deutschen.

Das Fazit ist also ein bisschen so wie erwartet: es gibt zwar deutliche Unterschiede, aber ein deutsches Nest gibt es wahrscheinlich nirgends, und wenn, dann bräuchte man noch feiner aufgeschlüsselte Daten.

Mia und ihre Schwestern – Inga Lindström in Hochform

Also mal ernsthaft: für die Verhältnisse von Inga Lindström handelte es sich beim heutigen Herzschmerz-ZDF-Film um hochwertige Kost. Da werden echte Beziehungsprobleme erörtert, anstatt den alten einfach für den einzig richtigen in den Wind zu schießen. Und das, obwohl der Film von 2009 ist, als die Geschichten doch anscheinend noch viel seichter waren als ohnehin schon.

Ja, ich habe es mir einmal wieder angetan: Pseudo-Schwedin Inga Lindström schrieb ein Schmonzette, die in Pseudo-Schweden spielt. Der Film heißt „Mia und ihre Schwestern“ und ist angeblich „nach der gleichnamigen Erzählung“. Das ist natürlich Schmarrn, denn die „Erzählung“ existiert in erster Linie als Drehbuch. Dass daraus auch mal gedruckte Schmöker werden, ist ein Nebenprodukt.

Wie der Titel nahe legt, geht es um Mia und ihre ausgesprochen gut aussehenden zwei Schwestern. Diese haben auch eine Mutter, die passenderweise von Gaby Dohm gespielt wird. Die konnte auch schon früher die starke Mutter spielen, aber das war im Gegensatz hierzu große Fernsehunterhaltung (ich gestehe: da mag ich falsch liegen, denn meine Erinnerungen an die Schwarzwaldklinik sind doch sehr vage).

Jede der vier hat ein mehr oder weniger gravierendes Problem. Die Mutter hat sich im fortgeschrittenen Alter mit dem Klassikmusikproduzenten Franz verlobt, der es wagt, nicht aus Schweden zu kommen, sondern extrem subversiv bei der Konkurrenz in Oslo wohnt. Sie traut sich aber nicht so recht, das ihrer Familie zu sagen. Agneta ist wegen nicht weiter spezifizierten Symptomen bei einem Arzt. Gott allein weiß, wie sie es hinbekommen hat, am Telefon nicht abgewimmelt („Nehmen sie etwas Paracetamol und legen sie sich hin“) zu werden. Der Arzt hat ein unglaubwürdig schickes und großes Büro, das er in dem Fall dazu verwenden darf, Agneta mitzuteilen, dass sie schwanger ist. Das passt ihr so gar nicht, denn mit einem Kind hatte sie angesichts vermuteter Unfruchtbarkeit nicht mehr gerechnet. Sie möchte nicht alleinerziehend sein und der Vater ist verheiratet.

Anna ist die zweite Schwester. Sie ist mit dem unverschämt gut aussehenden Jan verheiratet, der so unschuldig neckisch um seine Schwägerinnen herumscharwenzelt, dass man Böses vermuten müsste, wenn er nicht so ein sympathischer Kerl wäre.

Und dann gibt es da noch Mia, die Fotografin ist und eigentlich schon immer in Jan verliebt. Was zu weiteren Komplikationen führt, da Anna ihren Mann kürzlich betrogen hat. Die beiden haben sich auseinander gelebt, und da kann man auch schon mal die Schwester anschauen, denkt sich Jan – bleibt schließlich in die Familie. Wirklich schlecht kommt dabei aber keiner weg, auch wenn das jetzt erstmal so klingt. Ein Wochenende bei der Mutter sortiert das alles schön.

Den Rest des Herzschmerzes erspare ich dem geneigten Leser: Agneta behält das Kind trotz der Probleme, Anna und Jan trennen sich wegen intensiver Auseinandergelebtheit, und Mia probiert es mit Jan. Die Mutter zieht ganz unverschämt vom Naturidyll in die böse böse Großstadt (in dem Fall ausnahmsweise Oslo), und Agneta will ihr Kind in dem Haus aufziehen. Der Eierkuchen muss dieses Mal wegbleiben, aber alle arrangieren sich am Ende.

Wie gesagt ist alles ganz in Ordnung, wenn man die Maßstäbe entsprechend ansetzt.

Man sehe mir meine Pedanterie nach, aber es ist wieder einmal witzig, wenn man als Einwohner der Region sieht, wie die Örtlichkeiten in vollkommen absurder Anordnung lustig aneinandergebastelt werden, wie schon bei der überschallschnellen Prinzessin geschehen. Das dürfte sogar dem aufmerksamen Stockholmtouristen auffallen.

So wohnt Jan mit Frau und Kind im schicken, neuen und sehr umweltfreundlichen Hammarby Sjöstad, wo sie ihr Auto direkt am Wasser parken. Das kann man durchaus, vorausgesetzt, man ist bereit, ca. 150 € in der Woche für Knöllchen zu zahlen. Von dort aus geht es los zur Kanzlei der Eltern, und in der nächsten Szene fahren sie von Skeppsholmen herunter. Die Familienkutsche muss ein Amphibienfahrzeug sein.

Um das zu illustrieren:

Knifflige Aufgabe: man fahre von Hammarby Sjöstad (rechts unten) nach Blasieholmen und benutze hierzu die Brücke zu Skeppsholmen, und zwar in Richtung Blasieholmen. (Bild: OpenStreetMap, CC-BY-SA 2.5)

Anderes ist hingegen erstaunlich plausibel. So muss man, um zu dem Haus der Mutter zu kommen, erst Drottningholm passieren und dann eine Autofähre nehmen. Eine solche Fähre gibt es sogar, und sie fährt tatsächlich wie im Film behauptet um 8:30 Uhr – soviel Realitätsnähe ist vermutlich Zufall. Das Haus – die Bezeichnung Palast im schlanken 1,5 Mio. Euro-Preissegment trifft es wohl eher – muss daher eigentlich auf der Insel Adelsö stehen. Was hingegen gar nicht dazu passt, ist Mias Ausflug in den „Hafen“. Dieser scheint in Trosa zu sein, was 80 km entfernt ist.

Aber wer will denn über solchen Unsinn nachdenken, wenn Stadt und Land so schön sind?

Keine Omhändertänksamhet mehr

Foto aus der U-Bahn geschossen: die Pfeiler der Brücke ganz ohne Omhändertänksamhet

In den letzten Monaten fiel mir jeden Morgen zwischen den U-Bahn-Stationen Gamla Stan und Slussen ein Schriftzug auf. Auf den Pfeilern der Centralbron war in großen roten Lettern zu lesen:

  • Om
  • Händer
  • Tänk
  • Samhet

Also: Omhändertänksamhet.

Es hatten sich wohl Straßenkünstler mit einem Boot dort zu schaffen gemacht – ein bemerkenswerter Aufwand, insbesondere weil die Botschaft etwas unklar bleibt.

Denn „Omhändertänksamhet“ ist ein erfundenes Wort. Es soll wohl ein Wortspiel sein aus:

  1. Omhänderta: in Obhut nehmen, aber meist wohl „in Gewahrsam nehmen“
  2. Omtänksamhet: Rücksichtnahme

Also vielleicht in Schutz nehmende Rücksichtnahme. Oder so ähnlich.

Der Schriftzug wurde auch anderswo angebracht, wie dieses Bild auf Flickr zeigt.

Die Behörden hielten die Sache aber wohl eher für rücksichtslos – und ließen den Schriftzug (vermutlich) aufwändig entfernen.

Schade irgendwie.

Kein Studentflak in der Innenstadt

In Schweden macht man seit 1968 kein Abitur mehr – stattdessen geht man 12 Jahre lang auf die Schule, um hoffentlich am Ende genug Punkte für ein Studium zusammen zu haben. Das hindert die Schüler freilich nicht daran, zu feiern, als hätten sie eine solche Abschlussprüfung gemeistert.

Teil der Feierlichkeiten ist das Tragen von offiziersähnlichen Mützen wie sie diese Dame hier trägt:

Gymnasiumabsolventin mit Studentenmütze (Bild: Flickr-User HenrikAhlen, CC-BY-NC-SA 2.0)

Freilich gehört dazu aber auch etwas (feucht-)fröhlichere Aktivitäten. U.a. ziehen die Ex-Schüler mit Wagen durch die Stadt, sogenannten Studentflak:

Als Studentflak umgerüsteter Lkw (Bild: Holger.Ellgaard, CC-BY-SA 3.0 unported)

Heutzutage sind das meist mit einem ausreichend hohen Geländer und ordentlicher Musikanlage ausgestattete Lkw. Eine ganze Branche verdient gutes Geld mit dem Verkauf von Mützen und der Bereitstellung solcher Gefährte. In einem wohlorganisierten Staatswesen wie dem schwedischen gibt es sogar deutliche Vorschriften für die Ausrüstung der Wagen.

Das Problem bei dem ganzen Spaß: die Wagen ziehen stundenlang durch die Innenstadt und blockieren den Verkehr. Die Schüler werfen Bierdosen auf die Straßen und urinieren vom Lkw herunter. Das finden CG Wrangel, Chef der Stockholmer Verkehrspolizei, und Ulla Hamilton, Bürgermeisterin für den Bereich Verkehr, nicht lustig. Die Stockholmer Politik hat deswegen beschlossen, Studentflak in der Innenstadt zu verbieten.

Ich will Komasaufen und anderen Exzessen nicht das Wort reden. Auf meinen Logenplatz als Busfahrer im Bus hinter einem solchen Studentflak in dem Moment, als eine junge Dame ihren Magen von dem Gefährt herunter entleerte, hätte ich auch verzichten können.

Aber mal ehrlich: was für Spießer. Wenn es zu gefährlichen Zwischenfällen gekommen wäre, hätte ich ja noch Verständnis für die Maßnahme. Aber der einzige Grund scheint zu sein, dass ein paar Leute sich daran stören, wenn im Sommer für ein paar Tage der Verkehr etwas stockt und es etwas lauter ist. Außerdem würde ja jetzt die Straßenbahn gebaut.

Das ist nicht hinreichend – nicht einmal annähernd. Für junge Leute ist das ein Highlight und ein bedeutendes Ereignis. Jetzt schickt man sie in die Vororte, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil ein paar Innenstädter keinen Bock auf sie haben. Schon ziemlich armselig irgendwie.

Schwedens neue Tarnboote

Als ich das hier eben sah, dachte ich mir, dass ich da dem geneigten Leser nicht vorenthalten kann.

Die Seite psdisasters.com sammelt offensichtlich stark verunglückte Ergebnisse, die zumindest anzunehmenderweise mit dem Marktführer unter den Bildbearbeitungsprogrammen, Adobe Photoshop, fabriziert wurden.

Dieses Mal ist eine Anzeige für die Bootmesse in Stockholm im Blickpunkt. Irgendwie fehlt jedoch etwas auf dem Bild: das Boot ist abwesend. Die gezeigte Familie hat wohl ein Wunderwerk der Tarntechnik erworben.

Die Fernseheiche

TV-Eken, die Fernseheiche (Bild: Holger.Ellgaard, CC BY-SA 3.0)

In der letzten Woche durfte ich per Dagens Nyheter eine Stockholmer Institution kennenlernen: die Fernseheiche. Den Baum habe ich in meiner Busfahrerzeit zigmal gesehen, aber keine weitere Beachtung geschenkt. Dabei ist das nicht irgendein Gewächs: seit rund 2 Wochen hat sie sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel, denn sie ist bis zu 1000 Jahre alt und damit eine der ältesten Eichen in Stockholm.

Ihren Namen erhielt sie, weil sie heute direkt vor dem Hauptgebäude des schwedischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens steht. Früher hieß anscheinend auch schon Radioeiche, denn das öffentlich-rechtliche Radio hat seinen Sitz gleich daneben. Dass sie heute dort noch steht, hat sie dem Architekten Holger Blom zu verdanken, der in den 1960er Jahren dafür sorgte, dass die Straße in der Mitte eine große Verkehrsinsel bekam, die dem Baum Platz gab. Leider war das nicht allzu erfolgreich. Die Wurzeln sind schwer angegriffen. Obwohl die Krone gestutzt wurde, gibt es ein erhebliches Risiko, dass Äste herunterfallen. Der Druck durch die Straße und das Beschneiden der Äste führte letztendlich zum Befall und dem langsamen Sterben des Baums.

Sie ist also kaum mehr zu retten. Eigentlich wäre ihr langes Leben letzte Woche Montag zu Ende gegangen, aber eine beherzte Aktion von Freunden der Eiche konnte dies verhindern: sie tanzten um den Baum herum. Sie waren zu allem entschlossen, und einige übernachteten sogar im Geäst.

Für’s Erste hat der Baum eine Gnadenfrist bekommen. Schnell wurde das Thema zu einer politischen Frage. Ein Vorschlag war, die Eiche umfänglich (siehe hier) zu sichern und das Ganze mit der ohnehin in der Ecke geplanten Straßenbahn zu kombinieren. Das könnte sogar eine Touristenattraktion werden. Eine schöne Idee, wie ich finde, wenn auch die Praktikabilität bezweifelt werden kann.
Als botanisch Uninformierter frage ich mich auch, ob das nicht dazu führen wird, dass irgendwann nur noch ein kahler Stumpf übrig bleiben wird.

Erfreulich wäre es in jedem Fall, wenn ein hunderte Jahre altes Lebewesen nicht von 40 Jahren Stadtplanung dahingerafft würde.

Winzer und ehemalige Sperrgebiete – die Stockholmer Schären in Reisereportagen

Landsort am südlichsten Ende der Schären (Foto: Flickr-User Let Ideas Compete, CC BY-NC-ND 2.0)

Die Stockholmer Schären sind schön. Ich habe sogar das Privileg, auf einer Schäreninsel zu wohnen – obwohl diese natürlich so groß ist, dass man es eigentlich nur bei der Fahrt über die Brücken merkt. Ausflüge auf richtige Schäreninseln sind leider viel zu selten.

Als reisejournalistisches Subjekt sind sie auch nicht uninteressant. So war vor einiger Zeit dieser Bericht im Spiegel und Manager-Magazin über einen 90-jährigen Winzer zu lesen, der auf dem von mir nicht weit entfernten Tynningö doch tatsächlich einigermaßen erfolgreich Wein anbaut.

Nun kam kürzlich auch noch eine Reportage über Landsort, der südlichsten Schäre im Großraum Stockholm, im Merian-Magazin.

Auf beiden Inseln war ich leider noch nie – aber vielleicht sollte man einmal hinfahren. Viel Spaß beim Lesen.